Was kann ich tun, wenn mein Kind gemobbt wird?
Mobbing findet immer mehr im Netz statt. Cybermobbing nennt sich das, auf Social Media oder über Messenger wie WhatsApp. 38 Prozent der Jugendlichen in Deutschland haben schon einmal erlebt, dass jemand online absichtlich fertig gemacht wurde, 11 Prozent sind selbst Opfer geworden (Laut JIM-Studie 2020). Daraus wird nicht automatisch Mobbing, aber es ist zumindest eine Vorstufe. Wie Kinder und Jugendliche, vor allem aber auch Eltern damit am besten umgehen können, darüber haben wir mit Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Sibylle Bechstein gesprochen. Das komplette Interview könnt Ihr auch anhören:
Psychotherapeutin gibt Tipps gegen Mobbing
Was können Kinder tun, wenn sie gemobbt werden?
Zunächst ist es wichtig, den Schock zu überwinden. Ganz wichtig: sofort darüber reden, Gesprächspartner suchen wie Eltern, Lehrer oder Freunde. Keine falsche Scham haben: jeder kann in die Schusslinie von Mobbern kommen. Wichtig ist, das Mobbing offen zu legen.
Welche Auswirkungen kann Mobbing haben?
Mobbing kann zu schweren, psychischen Folgen führen. Vor allem Cybermobbing ist eine extreme Belastung. Weil es völlig unkontrollierbar ist, weil der der Mobber eine Masse an Menschen erreicht. Mobbing im Internet hat keine Grenze. Das findet auch Zuhause statt, das findet auch abends statt, und nicht nur beispielsweise beim Fußball. Die Folgen reichen von Schlafstörungen, Bauchweh, über Angststörungen, depressive Zustände und im aller schlimmsten Fall wissen die Jugendlichen gar keinen anderen Ausweg mehr und denken darüber nach, sich das Leben zu nehmen.
Wie kann man gegen Cybermobbing vorgehen?
Ganz wichtig: sich wehren, aktiv werden, Hilfe und Unterstützung suchen. Man kann, wenn man den Mobber kennt, überlegen, ob man mit Verbündeten wie Lehrern oder Schulpsychologen denjenigen auch zur Rede stellt. Aber wenn nicht klar ist, wer es war oder die Inhalte massiv sind, kann man auch eine Anzeige erstatten. Die [Vorfälle] sollten immer dokumentiert werden. Man kann auch die Plattform [auf denen gemobbt wird] zur Löschung von Kommentaren auffordern, das müssen die auch machen, um diesen psychischen Druck zu verringern.
“Mobbing im Internet hat keine Grenze. Das findet auch Zuhause statt und nicht nur beispielsweise beim Fußball. Die Folgen reichen von Schlafstörungen über Angststörungen bis zu depressiven Zuständen.”
Kindern klar machen, dass sie nicht alleine damit sind
Wichtig ist, die erste Scham zu überwinden. Denn meistens sind es auch schamvolle Inhalte und es wird gezielt gemobbt. Die Eltern sollten ihren Kindern klarmachen: du bist nicht schuld daran. Eine falsche Reaktion wäre zum Beispiel zu sagen: “Ich hab dir doch gleich gesagt, du sollst nicht so blöde Fotos machen”. Sondern das Kind wirklich ernst nehmen und sich auf jeden Fall Hilfe suchen. Da gibt es auch Hilfe. Im Schulischen Umfeld die Lehrer oder die Schulleitung ansprechen. Mobbing geht wirklich alle an. Das muss auch die Schule und die Lehrer interessieren und es muss im Klassenverband darüber gesprochen werden.
Wo liegt die Grenze zum Cybermobbing?
Das ist erstmals eine subjektive Sache. Mobbing ist oftmals im ersten gar nicht böse gemeint, sondern es ist wie ein schlechter Scherz. Aber auch da muss man einschreiten. Den Tätern oder Jugendlichen, die sowas ins Netz stellen, vor Augen führen, wie sich derjenige fühlt, wenn plötzlich eine große Menge an Personen peinliche oder intime Inhalte erfährt. Ich würde allen Eltern raten, dieses Thema unabhängig anhand eines Mobbingfall im persönlichen Umfeld mit den Kindern zu besprechen.
Wie verhalte ich mich als Elternteil richtig?
Das Kind ernst nehmen, ihm Raum geben und zuhören. Und dann gemeinsam mit dem Kind überlegen, welche Hilfe die richtig ist. Das Kind darin bestärken, sich Hilfe zu holen, sich zu wehren, und nicht dem Kind das Gefühl geben, es sei selbst schuld, weil es bestimmte Fotos gemacht hat oder in bestimmten Foren unterwegs ist. Und wenn es nötig ist, zu offiziellen Stellen gehen oder Anzeige zu erstatten. Auch bei der Polizei gibt es da sehr kompetente Mitarbeiter.
Tipps für Eltern, wie man am besten auf das Kind zugeht
Ich glaube, viele Eltern bekommen das gar nicht mit. Ich muss in der Stimmung des Kindes lesen, weil es vielen Kindern ausgesprochen peinlich ist. Weil sie sich denken, sie haben das ein stückweit selbst verschuldet. Da ist der persönliche Draht zum Kind wichtig. Dass ich, wenn mein Kind unausgeglichen ist, traurig, aggressiv – dass ich dahinter blicke und frage, gibt es etwas in deinem Leben was dich bedrückt oder belastet, ich schimpfe dich nicht, mir geht’s darum, dass du sagen kannst was dich belastet. Man muss den Kindern oder Jugendlichen deutlich eine Brücke bauen, aus dieser Scham und Ohnmacht und dem Opfergefühl rauszukommen.
Das Interview hat Lena Schaffer geführt
Hass im Netz melden
Persönliche Beleidigungen sind schlimm genug. Ab einem gewissen Punkt können Hasskommentare im Netz aber auch strafrechtlich relevant werden. Bei Morddrohungen, Rassismus oder Antisemitismus zum Beispiel. Auch, wenn Ihr nicht selbst davon betroffen seid, aber solche Vorfälle mitbekommt, könnt Ihr sie melden. Das geht direkt auf den Social Media Plattformen, bei der Polizei oder bei der Hassmeldestelle “respect” des Demokratiezentrums Baden-Württemberg. Dort könnt Ihr anonym Screenshots hochladen oder einen Link zur Seite, auf der Ihr die Hasskommentare beobachtet habt, zuschicken. Der Vorfall wird geprüft und die Meldestelle zeigt ihn gegebenenfalls selbst an und beantragt die Löschung. Zur Hassmeldestelle gelangt Ihr hier.