Mobbingopfer berichten, was ihnen geholfen hat

Mobbingopfer berichten, was ihnen geholfen hat

06.05.2021

Mobbing am Arbeitsplatz

Mobbing kratzt am Selbstvertrauen. Juliane Brosz hat es bei der Arbeit durch ihre Chefin erlebt. Die Abteilung sei berüchtigt gewesen für ihre hohe Kündigungsrate. Neben Schikane wie dem Verbot, am Arbeitsplatz private Gespräche zu führen, Kaffee zu trinken oder zu essen (das nur für sie und niemand anderes galt), wurde auch immer wieder offen über ihre Arbeit gelästert. “Ich dachte dann auch irgendwann – vielleicht bin ich wirklich nicht qualifiziert, vielleicht sollte ich mir einen anderen Job suchen”, erzählt Juliane. Diese Angst, etwas falsch zu machen, hat sie bis in den nächsten Job begleitet.

Vorfälle protokollieren

“Irgendwann ist mir aufgefallen, dass ich überhaupt keine Lust mehr hatte, ins Büro zu gehen. Und das war nicht nur, ich hab heute keinen Bock weil es ist Montag, sondern ein richtiger Widerwillen", beschreibt sie das Gefühl damals. Schließlich begann sie, eine detaillierte Liste zu führen mit allen negativen Vorfällen. “Das hat mir am allermeisten geholfen”, sagt sie – beim Gespräch später mit der Personalabteilung, aber auch um zu erkennen: das sind keine Einzelfälle, das ist Mobbing. Wichtig sei, alles sofort aufzuschreiben und nicht am Ende der Woche überlegen, was war.

“Das hat mir am allermeisten geholfen, auch, um zu erkennen: das sind keine Einzelfälle.”

Das Personalgespräch führte schließlich zur Kündigung - bereut hat sie es trotzdem nicht. Rückblickend ist sie “superfroh”, sich gewehrt zu haben: “Das lässt mich ruhiger schlafen. Deswegen kann ich damit abschließen, weil ich habe was getan, ich habe es nicht auf mir sitzen lassen”.

Mobbing in der Schule

Wegen einer Gehbehinderung humpelt Steffi Ziegler aus Reichenbach unterm Rechsberg (nicht im Bild) ein wenig. In der Schule wurde sie deswegen gemobbt. “Es war viel Verletzendes dabei. Was mir gut im Kopf geblieben ist, ist der Spruch: ‘Guck mal, da kommt das Pferd wieder’. Wenn das dann der komplette Pausenhof [sagt], wird es schwierig. Dann kann man es auch nicht überhören.” Eine vermeintliche Freundin hatte sich damals in der 5. Klasse gegen sie gewendet, und das breitete sich  zunächst über die Klasse und schließlich die gesamte Schule aus. “Ich habe versucht, möglichst unscheinbar zu wirken und das zu tun, was die anderen von mir wollten. Sprich: Hausaufgaben abschreiben lassen – nur, um für einen kurzen Moment mal normal behandelt zu werden.” Nicht alle waren gegen sie, aber es hat sich auch niemand für sie eingesetzt.

Erst mit dem Wechsel aufs Wirtschaftsgymnasium wurde es besser. Die neue Klasse stand hinter ihr und war nett - und Steffi damit zunächst völlig überfordert. “Das war ich nicht gewohnt. Ich bin ganz ehrlich, als dann alle hinter mir standen musste ich erst mal aus dem Klassenzimmer raus und bin zusammengebrochen. Nur, weil ich es nicht gewohnt war”. Auch heute muss sie sich teils noch dumme Sprüche anhören, aber lässt es nicht mehr an sich ran: “Inzwischen bin ich soweit gefestigt, dass ich sage: es ist mir egal”. Auch mit der Behinderung geht sie offen um, was ihr früher peinlich war.

"Als dann alle hinter mir standen, musste ich erst mal aus dem Klassenzimmer raus und bin zusammengebrochen. Nur, weil ich es nicht gewohnt war."

Jemanden zum Reden suchen

Ihr wurden damals Dinge geraten wie “Lass es nicht an dich ran, geh zu den Lehrern”. Das hat sie auch gemacht, aber viel gebracht hat es nicht. Ihr Rat ist, sich jemanden zum Reden zu suchen, jemanden, dem man sich anvertrauen kann. “Eine einzige Person reicht, mit der man gut klar kommt, die für einen da ist – und mit der offen reden und sagen, mir geht’s schlecht, es macht mich fertig und ich brauche jemanden, bei dem ich mich offen auskotzen kann".

Die Interviews hat Patrick Seidel geführt. Text: Martin Heer

Holt Euch Hilfe

Es gibt Kostenlose Beratungsangebote in Baden-Württemberg. Einen Überblick über telefonische Beratungen auch zu Mobbing am Arbeitsplatz findet Ihr hier bei der Konflikthotline BW. Zu Mobbing an Schulen sprecht am besten mit Vertrauenslehrern oder Schulpsychologen. Ihr könnt Hass und Hetze im Netz, wenn sie über Beleidigungen hinaus gehen, auch melden - ganz anonym bei der Hassmeldestelle “respect”. Tipps, wie Eltern ihren Kindern helfen können haben wir Euch hier zusammengefasst: