Suchtbetroffener zu Legalisierung von Online-Glücksspiel

Suchtbetroffener zu Legalisierung von Online-Glücksspiel

05.02.2020

„Erst als ich die letzten 1.000 Euro verspielt hatte und am nächsten Tag meiner Tochter kein Eis für 15 Cent kaufen konnte, war mir klar, dass ich ein Problem hatte.“

Hinweis: Das Interview haben wir im Februar 2020 geführt, als die Legalisierung des Online-Glücksspiels auf den Weg gebracht wurde.

Baden-Württemberg hat dem neuen Glücksspiel-Staatsvertrag zugestimmt, der soll zum 1. Juli Online-Glücksspiel in Deutschland legalisieren. Wir haben mit jemandem gesprochen, der selber über zwei Jahrzehnte spielsüchtig war. 300.000 Euro hat Volker Brümmer aus Fellbach damals verzockt, jetzt leitet er eine Selbsthilfegruppe.

Interview mit ehemals Suchtbetroffenem

Wie stehst du zur Legalisierung von Online-Glücksspiel?

Volker Brümmer: Ich sehe sehr große Probleme bei der Regulierung und Kontrollierung. Der Spieler- und Jugendschutz wird auf der Strecke bleiben und das werden die Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen in den nächsten Jahren spürbar merken.

Was macht Online-Kasinos gefährlicher als Spielhallen?

Die Haptik des Geldes fehlt, es wird mit Klicks eingezahlt. Der Betrag wird auf der Seite irgendwo in der Ecke angezeigt oder in Punkten angegeben. Die Seiten sind ständig verfügbar überall auf der Welt, das macht das spielen noch einfacher. Die Frequenz und Möglichkeit zu spielen steigt dadurch drastisch.

Du leitest eine Selbsthilfegruppe – was erzählen die Betroffenen, die zu dir kommen?

Die neuen Mitglieder die kommen berichten alle davon, dass sie über Sportwetten auch zu den Online-Casinos gekommen sind. Da wurde viel schneller viel mehr Geld verspielt, denn bisher gibt es beim Online-Casino keine Einzahlungsgrenzen. Ich kann auch ein Spiel für 500 Euro in zwei Sekunden spielen.

Das Klientel wird immer jünger. Die Leute fangen viel früher mit dem Glücksspiel an und durch die Online-Freigabe wird das ganze rasend schnell gehen. Selbst auf dem Smartphone ist es überhaupt kein Problem, Online-Casinos zu besuchen und dort einzuzahlen.

Wenn das Spiel zur Sucht wird

Wie hat sich das Glücksspiel auf deinen Alltag ausgewirkt?

Morgens war mein erster Gedanke: Wie komme ich an Geld? Wie bekomme ich das logistisch hin? Ich bin dann mit Arbeitsklamotten aus dem Haus gegangen, hab mich von der Ehefrau verabschiedet, unterwegs meinen Chef angerufen und gesagt, mir geht es nicht gut, ich bleib Zuhause. Und schon hatte ich Zeit, acht Stunden in der Spielhalle zu verbringen.

Woran merkt man, dass das Spiel zur Sucht wird?

Wenn man selber ein Glücksspiel-Problem hat, merkt man das gar nicht. Ich selber hab 23 Jahre gespielt, und mir wurde erst ganz zum Ende bewusst, dass ich da ein Problem habe. Man selber will das auch gar nicht wahrhaben, weil dieser Realitätsverlust ja auch beim Spielen einsetzt.

Erst als ich eines nachts schon ziemlich spät die letzten 1.000 Euro verspielt hatte und am nächsten Tag meiner Tochter kein Eis für 15 Cent mehr kaufen konnte, da war mir klar, dass ich ein Problem hatte. Wenn man sich dann überlegt, dass man alles belogen hat, alles betrogen hat um sich herum, dass man auch nichts wert ist, dann hat man auf dieser Welt nichts mehr verloren. Und dann stand ich am Bahngleis. Das waren heftige Momente, ich bin dann im letzten Augenblick nicht nach vorne gegangen, wo der Zug kam, sondern einen Schritt zurück getreten.

Hilfe für Betroffene

Volker Brümmer empfiehlt für Betroffene die Beratungsstelle der EVA Stuttgart - dort werden auch zeitnah Termine vergeben, es gibt Selbsthilfe- und Orientierungsgruppen. Die helfen einem, einzuschätzen, ob man tatsächlich ein Problem hat oder nicht. Mehr Infos gibt es außerdem bei der Landesstelle für Suchtfragen.