WTA-Finals werden zur Farce - Kritik an Boss Simon
Die Bosse der Frauen-Tennis-Tour hatten sich alles so schön vorgestellt. Spektakuläre Bilder aus dem mexikanischen Cancún, direkt am Karibischen Meer, Traumstrände inklusive. Es sollte die perfekte Szenerie für den Saisonabschluss der besten Spielerinnen des Jahres sein.
Doch statt einer Mischung aus sommerlicher Idylle und spektakulärem Tennis lieferten die WTA-Finals groteske Szenen frierender Spielerinnen, umherfliegender Mülleimer und verwehter Bälle. Das Highlight der Saison war längst zur Farce verkommen, noch bevor sich die Polin Iga Swiatek und Jessica Pegula aus den USA am Montagabend (Ortszeit) im wegen des Wetterchaos um einen Tag verlegten Endspiel gegenüberstanden.
Schon vor Beginn heftige Kritik
Schon vor Beginn der Millionen-Dollar-Veranstaltung hatte es heftige Kritik an den Bedingungen in Cancún gegeben. Weil die WTA die mexikanische Küstenmetropole erst sehr kurzfristig als Austragungsort benannt hatte, waren die Vorbereitungen noch nicht abgeschlossen, als die Spielerinnen aus aller Welt in Mexiko eintrafen. Die Folge: Anders als sonst üblich waren Trainingseinheiten auf dem Centre Court kaum möglich. «Das ist für mich nicht akzeptabel, wenn so viel auf dem Spiel steht», sagte die Weltranglisten-Erste Aryna Sabalenka aus Belarus.
Der Frust bei den besten Spielerinnen der Welt ist groß - und ist nicht neu. Bereits Anfang Oktober hatten zahlreiche Stars der Branche in einem Brandbrief an WTA-Boss Steve Simon ihren Unmut über die Entwicklungen im Damen-Tennis geäußert. Höhere Preisgelder, bessere Turnierplanung, verbesserte Kinderbetreuung - die Liste der Kritikpunkte ist lang. Ganz besonders stört die Spielerinnen aber, dass sie nicht gehört und eingebunden werden.
Simon-Anwort auf Brief bleibt aus
Der vom 5. Oktober datierte Brief an die Entscheidungsträger enthielt daher die explizite Aufforderung auf eine schriftliche Antwort von WTA-Boss Simon bis zum 13. Oktober. Doch die blieb aus. Die viermalige Grand-Slam-Turnier-Siegerin Swiatek schrieb sogar noch einen persönlichen Brief an Simon, in dem sie die Forderungen und Kritikpunkte noch einmal deutlich ansprach und einen «wirklichen Wandel» forderte.
Anstatt der gewünschten Antworten in schriftlicher Form lud Simon die Spielerinnen zu einem Meeting in Cancún ein. Doch auch dort gab der WTA-Boss nicht die von den Aktiven erwarteten Antworten - weshalb die Spielerinnen nach Informationen von «The Athletic» noch vor dem Ende des Treffens den Raum verließen. Auch, dass Verantwortliche der von Novak Djokovic vor rund drei Jahren gegründeten Spielergewerkschaft PTPA nicht eingeladen worden waren, sorgte für Ärger.
Die WTA ging auf dpa-Anfrage nicht groß auf die Kritikpunkte ein. Stattdessen rühmte sich die Organisation für die positive Entwicklung in den vergangenen Jahren. «Wir sind stolz auf das Erreichte und freuen uns darauf, die wichtigen Gespräche mit den Spielerinnen und Turnieren fortzusetzen und weiter an einer starken Zukunft des Damen-Tennis zu arbeiten», hieß es seitens der WTA.
«Es wird schwer für Steve»
Doch für den Amerikaner Simon, seit acht Jahren an der Spitze der WTA, könnten der Aufstand der Spielerinnen und das Desaster von Cancún noch gefährlich werden. Schon die WTA-Finals 2022 fanden in Fort Worth in Texas nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. «Es wird schwer für Steve, seinen Job zu behalten», sagte die 18-malige Grand-Slam-Turnier-Siegerin Martina Navratilova bei Amazon Prime. «Vielleicht ist es Zeit für eine neue Führung.»
Die WTA sei eine Frauen-Organisation, habe in all den Jahren aber nur zwei Frauen an der Spitze gehabt. «Ich denke, es ist Zeit, dass wir, wenn wir eine neue Führung bekommen, wieder eine Frau bekommen», sagte die 67 Jahre alte Navratilova. «Es gibt genug Frauen, die die Qualitäten dafür haben.»
Die Debatten um die WTA-Finals sind dabei mit dem Endspiel von Cancún nicht beendet: Für die kommenden Auflagen ist das wegen Menschenrechtsverletzungen kritisierte Saudi-Arabien ein heißer Kandidat.
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