WM in Fukouka: «Wir sind Wasserspringer, keine Richter»
Die deutschen Wasserspringerinnen und Wasserspringer sind derzeit nicht zu beneiden. Ging es zuletzt um ihren Sport, dann zumeist um den Missbrauchsfall Jan Hempel und die Folgen. Als Timo Barthel, Moritz Wesemann & Co. bei der EM Ende Juni dreimal Gold gewannen, nahm davon öffentlich kaum jemand Notiz.
Die Lust auf ihre anspruchsvolle Disziplin lassen sich die Springerinnen und Springer der Nach-Patrick-Hausding-Ära trotzdem nicht nehmen. Die am Freitag beginnenden Weltmeisterschaften im japanischen Fukuoka bietet für sie nicht nur die Chance auf Medaillen auf ganz großer Bühne, sondern auch auf positive Schlagzeilen für ihren Sport.
«Lutz Buschkow als Mensch kann man nicht vergessen»
Während die Athleten ihrer springerischen Passion auf Brett und Turm nachgehen, beschäftigt der Fall des früheren Weltklasse-Sportlers Hempel den Deutschen Schwimm-Verband (DSV) weiter - und zwar gleich auf zwei Ebenen. Zum einen ist da die an den Verband gerichtete Schadenersatz-Forderung Hempels, zum anderen die Klage des gekündigten ehemaligen Bundestrainers Lutz Buschkow auf Wiedereinstellung. Hempel hatte 2022 Vorwürfe des Missbrauchs durch seinen früheren Trainer Werner Langer in den Jahren 1982 bis 1996 öffentlich gemacht und damit den deutschen Sport erschüttert.
Was Schadenersatz anbelangt, könnte es nach Ansicht von Hempels Anwalt Thomas Summerer demnächst zu einer außergerichtlichen Einigung kommen. Wie diese aussehen könnte, ist aber noch nicht bekannt.
Auch im Fall Buschkow hofft der Verband auf einen Vergleich. Das zumindest sagte DSV-Vizepräsident Wolfgang Rupieper bei den deutschen Schwimmmeisterschaften am vergangenen Wochenende dem ARD-Hörfunk. Der Verband hatte sich vom langjährigen Bundestrainer Buschkow getrennt, weil dieser - damals noch in anderer Funktion - angeblich von den Vergehen an Hempel gewusst, dies aber verschwiegen haben soll. Buschkow bestreitet dies.
Im WM-Team ist Buschkow nach wie vor sehr beliebt, seine fachlichen Qualitäten sind unbestritten. «Lutz Buschkow als Mensch kann man nicht vergessen», sagte Lena Hentschel. Die Olympia-Dritte von Tokio im Synchronspringen vom Drei-Meter-Brett lobte Buschkows Empathie. «Er hatte immer ein offenes Ohr, er war einer, an den man sich immer wenden konnte», sagte die 22-Jährige und sprach von einem Schock, als der Trainer während der WM vor einem Jahr in Rom im Zuge der Hempel-Enthüllungen praktisch über Nacht geschasst wurde. Man sei als Team dadurch aber noch enger zusammengewachsen. «Ich glaube, wir sind stärker als zuvor», sagte Hentschel.
Bohm: «Buschkow hat Riesenfußspuren hinterlassen»
Kontakt zum früheren Coach haben die Springerinnen und Springer weiterhin. Turm-Europameister Timo Barthel pflegt seit jeher ein enges Verhältnis zu Buschkow. «Wir sind ja beide aus Halle, da läuft man sich schon mal über den Weg», berichtete der 27-Jährige. Für ihn gelte die Unschuldsvermutung. «Wir sind Wasserspringer, keine Richter. Jeder, der in meinem Team ist, den unterstütze ich. Ich bin für ihn, bis jemand das Gegenteil beweist, und so lange halten wir zusammen», sagte Barthel. Buschkow verfolge alles, was mit Wasserspringen zu tun habe, das sei sein Leben. «Wir bekommen auch Nachrichten von ihm, er gratuliert zu Erfolgen. Er brennt für das Team, egal ob er dabei ist oder nicht.»
Als Misstrauensvotum für den interimsmäßig arbeitenden neuen Bundestrainer Christoph Bohm sind die Lobeshymnen auf seinen Vorgänger nicht zu verstehen. Bohm, jahrelang Heimtrainer von Rekord-Europameister Hausding, nimmt sich Buschkow in vielerlei Hinsicht als Vorbild. «Auch wir Trainer sind mit Lutz immer gut klargekommen. Ich selbst bin als Trainer mit ihm als Bundestrainer gewachsen. Die Erfahrungen, die ich durch ihn sammeln konnte, sind jetzt Gold wert», sagte der Berliner, der in der Arbeit mit den Athleten gar nicht viel anders macht als sein Vorgänger.
«Warum sollen wir Sachen ändern, die funktioniert haben? Es ist für mich eine große Herausforderung, denn Lutz Buschkow hat Riesenfußspuren hinterlassen», sagte Bohm. Auch er hat noch sporadisch Kontakt zum 65-Jährigen. «Er war jetzt auch bei den Meisterschaften in Berlin, sodass man sich hin und wieder kurz austauschen kann», sagte Bohm. Beim ersten Großereignis auf Weltniveau nach der Kündigung Buschkows wollen er und sein Team nun beweisen, dass sie sportlich auch ohne den Coach Podiumskandidaten sind.
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