Sunnyi Melles: «Als kompliziert zu gelten, halte ich aus»
Sunnyi Melles, die dieses Jahr mit ihren Rollen in den Serien «Die Zweiflers» (ARD) und «Becoming Karl Lagerfeld» (Disney+) Aufsehen erregte, hat nach eigenen Worten kein Problem damit, als kompliziert zu gelten. «Oft sagt die zweite Sunnyi in mir: "Halt, sage jetzt lieber nichts und sei kein Troublemaker!" Sunnyi sagt es dann aber doch. Je offener ein Mensch ist, desto freier ist er. Deswegen als kompliziert zu gelten, halte ich aus», sagt Melles (66) im Interview von «Icon», dem Magazin der «Welt am Sonntag». Und: «Ich bin nicht schwierig, liebe aber den Ruf. Ich fordere von Regisseuren und Kollegen etwas ein und erwarte, dass Fehler gemacht werden dürfen.»
Melles bekam unvergessliches Lob von Brad Pitt
Dank ihrer Rolle und der wirklich krassen Kotz-Szene in «Triangle of Sadness», dem Cannes-Gewinner 2022, ist Melles in der Filmwelt sehr anerkannt. Auf die Frage, welches Urteil über sich sie bis heute nicht vergessen habe, sagt sie: «Unvergesslich ist, als Brad Pitt in Paris auf mich zukam und sagte: "I know you. I saw 'Triangle of Sadness' twice. You were fantastic!".»
Melles erklärt in «Icon»: «Oft lachen die Leute, und ich denke: Was habe ich denn jetzt wieder gemacht? Ich trinke nie Alkohol und mache vielleicht das, was andere Leute im betrunkenen Zustand machen.» Berufskrankheiten merke sie an sich keine. «Man könnte höchstens zu mir sagen: "Glotzen Sie nicht so!" Ich beobachte sehr gerne Menschen und kann nicht aufhören, mich zu fragen, was sie wohl gerade denken.» Melles bekennt auch: «Ich bin kein Naturmensch. Die Petersilie habe ich lieber in der Suppe.»
Eltern flohen aus Ungarn, weil sie nicht mehr sagen durften, was sie dachten
Die in Luxemburg geborene Melles, die inzwischen die Schweizer Staatsbürgerschaft besitzt, hat eine bewegte Familiengeschichte. «Meine Eltern sind aus Ungarn geflohen, weil sie nicht mehr das sagen durften, was sie dachten. Das hat mich mein Leben lang geprägt. Opportunismus ist schlimm, denn im Leben und in der Kunst geht es um Ehrlichkeit und Wahrheit.»
Egal in welcher Rolle sie auf der Bühne gestanden habe, «immer gab es einen Augenblick, in dem das Publikum über mich lachen konnte». «Das ist ein Geschenk, das ich von meiner Mama geerbt habe. Obwohl sie 1956 vor dem Stalinismus in Ungarn in die Schweiz floh und wir in Basel als Staatenlose 15 Jahre ohne Pass um das Überleben kämpften, verloren wir nie den Humor. Meine Tochter ist Schauspielerin in vierter Generation. Wenn unsere Nerven blank liegen, lachen wir zusammen. Das liegt in der Familie.»
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