Streit in Ampel-Koalition um künftige China-Strategie
In der Ampel-Koalition ist offener Streit über den künftigen Kurs gegenüber China ausgebrochen. Grünen-Politiker kritisierten ein Strategiepapier des konservativen SPD-Flügels, in dem dieser vor einer «Anti-China»-Strategie warnt.
Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch sagte der Deutschen Presse-Agentur: «China ist Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale zugleich - das anzuerkennen ist Grundlage einer ernstzunehmenden China-Politik. In der SPD scheint das in Teilen nach wie vor nicht angekommen zu sein.» Die Verweigerung, Realitäten zu sehen, habe Deutschland und Europa in gefährliche Abhängigkeit von Russland gebracht. «Es wäre fahrlässig, diese historischen Fehlentscheidungen nun in der China-Politik zu wiederholen.»
Baerbock in China
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hatte zwei Tage lang China besucht - am Samstag kam sie in Südkorea an. Die Grünen-Politikerin hatte unter anderem die chinesische Regierung eindringlich aufgefordert, sich stärker als bisher bei Russland für ein Ende des Krieges gegen die Ukraine einzusetzen. Ziel von Baerbocks Reise war es auch, die Chancen für eine künftige Zusammenarbeit mit Peking auszuloten und zugleich Gefahren einseitiger Abhängigkeit abzubauen. Die Außenminister äußerte auch die Sorge, dass die Freiräume für die Zivilgesellschaft und die Menschenrechte in China beschnitten würden.
Der Seeheimer Kreis konservativer Politiker in der SPD hatte in einem Strategiepapier eine pragmatische Chinapolitik angemahnt. Zugleich wird Kritik an Außenministerin Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck (beide Grüne) geäußert. Es dürfe keine «eindimensionale deutsche Außen- und Wirtschaftspolitik» gegenüber China geben, so der Seeheimer Kreis. China wird als wichtiger Partner bezeichnet, um weltweiten Herausforderungen wie dem Klimawandel, dem drohenden nuklearen Wettrüsten und den zahlreichen Konfliktherden zu begegnen. Zugleich habe sich China zunehmend zu einem Wettbewerber und systemischen Rivalen entwickelt. Die Bundesregierung erarbeitet derzeit eine neue China-Strategie.
Bei den Grünen kam das Papier, das während Baerbocks Aufenthalt in Peking publik wurde, nicht gut an. Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt sagte der «Welt am Sonntag»: «Es besorgt mich, dass die SPD offenbar nichts aus ihrer für Deutschland fatalen Russland-Politik gelernt hat. Ich warne davor, unser Land in die nächste Abhängigkeit zu führen». Im Umgang mit China als wichtigem Handelspartner müsse gelten: Kooperation ja, Abhängigkeit nein. «Sich sehenden Auges erneut von autoritären Kräften abhängig zu machen, ist das Gegenteil von Pragmatismus.»
Wirtschaftsstaatssekretärin Franziska Brantner, ebenfalls eine Grüne, sagte der dpa: «Wir müssen in Bezug auf China die Risiken wirtschaftlicher Abhängigkeiten minimieren. Uns geht es um ein De-Risking und nicht um ein De-Coupling. Ich kenne auch niemanden seriöses, der eine vollständige Entkopplung unserer Volkswirtschaften fordert.» Eine sichere Versorgung mit Energie und Rohstoffen sowie resiliente Lieferketten seien zentral für den Wirtschaftsstandort.
Die deutsche Wirtschaft müsse widerstandsfähiger aufgestellt werden. «Dafür wenden wir uns der Welt zu, wir diversifizieren unsere Energieversorgung, wir bringen Handelsverträge voran und füllen Rohstoffpartnerschaften mit Leben. Es ist mir nicht verständlich, warum sich Teile der SPD von diesem gemeinsamen Kurs nun anscheinend abwenden wollen.»
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, sie sei froh, dass die Außenministerin nicht mut- und profillos durch die Gegend reise, «sondern klar unsere Interessen und Werte artikuliert». «Nur so funktioniert Partnerschaft auf Augenhöhe.»
China und der Hamburger Hafen
Audretsch sagte, Risiken und Abhängigkeiten von China müssten abgebaut und Kernbereiche europäischer Wirtschaft geschützt werden. Konkret werde die Frage derzeit in Hamburg. Es sei ein großer Fehler gewesen, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die vollständige Untersagung der Beteiligung des de facto chinesischen Staatskonzerns Cosco an einem dortigen Hafenterminal verhindert habe.
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik hat das Terminal inzwischen als kritische Infrastruktur eingestuft. Dies müsse zu einer Neubewertung der Beteiligung führen, verlangte Audretsch. «Die Bundesregierung sollte alle Möglichkeiten nutzen, den Hafen vor chinesischer Einflussnahme zu schützen.
Nach der Neubewertung des Hafenterminals hatte eine Sprecherin Habecks gesagt, da sich die Voraussetzungen geändert hätten, prüfe das Ministerium nun die Auswirkungen auf den Sachverhalt. Das Bundeskabinett hatte im vergangenen Oktober eine sogenannte Teiluntersagung beschlossen, die einen Anteilserwerb von Cosco an dem Terminal zulässt, aber nur unter 25 Prozent.
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