Ralf Hütter (l-r), Henning Schmitz, Fritz Hilpert und Falk Grieffenhagen von Kraftwerk  auf der Bühne., © Alberto Pezzali/Invision/AP/dpa
Ralf Hütter (l-r), Henning Schmitz, Fritz Hilpert und Falk Grieffenhagen von Kraftwerk auf der Bühne. Alberto Pezzali/Invision/AP/dpa, dpa
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Sampling-Streit um Kraftwerk-Beat geht zum EuGH

14.09.2023

Es geht um die Grenzen von Kunstfreiheit und Urheberrecht: Ein mehr als zwei Jahrzehnte langer Rechtsstreit zwischen den Elektropop-Pionieren von Kraftwerk und dem Musikproduzenten Moses Pelham um eine zwei Sekunden lange Tonfolge wechselt erneut zum Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Der Bundesgerichtshof (BGH) setzte das dortige Verfahren am Donnerstag aus. Die Richter in Luxemburg müssen sich unter anderem zu der Frage äußern, was genau unter einem Pastiche zu verstehen ist. Das sei bisher vollkommen unklar, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Koch.

Was ist ein Pastiche?

Seit der Umsetzung von EU-Recht in deutsches Recht heißt es im Urheberrechtsgesetz: «Zulässig ist die Vervielfältigung, die Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck der Karikatur, der Parodie und des Pastiches». Während Karikatur und Parodie im Deutschen bekannte Begriffe sind, wird Pastiche eher selten verwendet. Im Allgemeinen meint der Begriff die Nachahmungen des Stiles oder der Ideen von Künstlern.

Fraglich sei aber zum Beispiel, ob einschränkende Kriterien wie das Erfordernis von Humor, Stilnachahmung oder Hommage gelten, erklärte Koch. Im französischen Recht etwa spielt humoristische Absicht eine Rolle. Eine zweite Frage bezieht sich darauf, ob man feststellen können muss, dass jemand absichtlich ein Pastiche erstellen wollte - oder ob «die Erkennbarkeit des Charakters als Pastiche» genügt.

Hintergrund des Streits ist ein Fall, den wegen der grundlegenden Fragen zum Verhältnis von Kunstfreiheit und Urheberschutz eine ganze Branche verfolgt: Pelham hatte einen Rhythmus aus dem Kraftwerk-Stück «Metall auf Metall» aus dem Jahr 1977 - im Wesentlichen «Bäng-dänge-däng-däng» - 20 Jahre später leicht verlangsamt in Endlosschleife unter den Song «Nur mir» mit der Rapperin Sabrina Setlur gelegt. So eine musikalische Interpretation in neuem Kontext nennt man Sampling. Im Rap und Hip-Hop ist sie gängig.

Beat in einem Klangarchiv

Der heute 52-jährige Pelham hatte allerdings nicht um Erlaubnis gefragt. Der Frankfurter war in einem Klangarchiv auf den Beat gestoßen und fasziniert von der «musikalischen Kälte», wie er einmal sagte. Der Kraftwerk-Mitbegründer Ralf Hütter - inzwischen 77 Jahre alt und jüngst zum einzigen Konzert der Gruppe dieses Jahr in Deutschland zu Gast ausgerechnet in Karlsruhe - fühlte sich bestohlen und klagte.

Das Verfahren ging durch die Instanzen: Allein der BGH hat nun seine fünfte Entscheidung verkündet. Neben dem EuGH war auch das Bundesverfassungsgericht schon damit befasst. «Es geht hier um Grundsätzliches», hatte Pelhams Vertreter Matthias Siegmann bei der Verhandlung Anfang Juni gesagt. Daher spiele die Zeit keine Rolle.

Zuletzt hatte das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg den Klägern unter anderem dahingehend Recht gegeben, dass sie für eine Spanne von rund 18,5 Jahren Schadenersatz geltend machen können. Für die Zeit nach dem 7. Juni 2021 - als die Umsetzung von EU-Gesetzgebung ins deutsche Recht in Kraft trat - wies das Gericht die Klage ab. Es ging davon aus, dass die Vervielfältigung der Tonsequenz aus «Metall auf Metall» und ihre Überführung in ein eigenständiges neues Werk im Wege des Samplings nunmehr als Pastiche zulässig seien. Das OLG ließ aber die Revision für diesen Zeitraum zu, darum ging es nun ans BGH.

Auch die Karlsruher Richterinnen und Richter befürworten Koch zufolge eine relativ weitgehende Interpretation des Begriffs Pastiche. Sonst könnte die Kunstfreiheit nicht geschützt sein, wenn Werke nicht etwa Karikaturen oder Parodien seien, erläuterte der Vorsitzende Richter. «Es geht um viel mehr als die bloße urheberrechtliche Zulassung des Samplings.» Es gibt keine Frist, bis wann der EuGH sich dazu äußern muss. Erst wenn die Antworten vorliegen, verhandelt der BGH weiter.

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