Hat oft den Eindruck, die Politik würde «eher die Gemüter erhitzen statt Probleme zu lösen»: Papst Franziskus., © Luca Zennaro/ANSA/AP/dpa
Hat oft den Eindruck, die Politik würde «eher die Gemüter erhitzen statt Probleme zu lösen»: Papst Franziskus. Luca Zennaro/ANSA/AP/dpa, dpa
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Papst in Ungarn: Klare Worte zu Migration und Europa

28.04.2023

Unter großer Freude der Gastgeber ist Papst Franziskus in Ungarn empfangen worden. Das Oberhaupt der katholischen Kirche erreichte zum Auftakt seiner nun 41. Auslandsreise Budapest. Am Flughafen begrüßten ihn ungarische Spitzenpolitiker und Kleriker. Als Willkommensgeschenk überreichten ihm zwei Kinder in traditioneller Kleidung Brot und Salz, wie es in Mitteleuropa üblich ist.

Nach der offiziellen Willkommenszeremonie mit der ungarischen Staatspräsidentin Katalin Novak im Sandor-Palais im historischen Burgviertel und einigen bilateralen Treffen, etwa mit Regierungschef Viktor Orban, wandte sich der Pontifex in seiner ersten großen Rede am Mittag an seine Gastgeber.

Vor Vertretern der ungarischen Regierung und Zivilgesellschaft äußerte er sich zu Themen wie Europa und Migration. Er verband seine Ausführungen subtil mit Bezügen zur ungarischen Geschichte und Tradition. In umso deutlicheren Worte warb er für den «Traum des geeinten Europa» und forderte einen menschenwürdigen Umgang mit Migranten und Flüchtlingen.

«Als Europa an sicheren und legalen Wegen arbeiten»

Franziskus rief dazu auf, Wege und Mittel zu finden, um die vor Konflikten, Armut und Klimawandel Fliehenden in Europa aufzunehmen. Das Thema der Migration und Flucht sei ein Thema, das sich früher oder später auf alle auswirken werde. «Deshalb ist es dringlich, dass wir als Europa an sicheren und legalen Wegen arbeiten, an gemeinsamen Mechanismen angesichts einer epochalen Herausforderung, die nicht durch Zurückweisung eingedämmt werden kann, sondern angenommen werden muss.»

Er betonte außerdem die Notwendigkeit der Offenheit anderen gegenüber. Europa sei insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Weltlage von grundlegender Bedeutung und solle die «Ausgegrenzten vereinen, die Völker in seinem Inneren willkommen heißen und niemanden für immer als Feind stehen lassen». Er warnte in dem Zusammenhang, dass «Nationalismen wieder neu aufbranden» - er habe oft gar den Eindruck, die Politik erhitze eher die Gemüter statt Probleme zu lösen.

Franziskus' Rede war mit Spannung erwartet worden. Beobachter rechneten im Vorfeld mit Aussagen, die als vorsichtig kritisch gegenüber dem rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Orban gewertet werden können. Ungarns Gesetze zu Migration und Flüchtlingen stehen oftmals im Widerspruch zu internationalem und EU-Recht. Grundsätzlich ist es etwa Schutzsuchenden, die ungarisches Gebiet erreicht haben, nicht möglich, um Asyl anzusuchen.

«Wo sind die schöpferischen Friedensbemühungen?»

Auch Russlands Krieg gegen die Ukraine spielte während des ersten Tages des Papst-Besuchs eine Rolle. Der Pontifex forderte konkrete Anstrengungen für den Frieden: «Ich frage mich, auch mit Blick auf die gequälte Ukraine: Wo sind die schöpferischen Friedensbemühungen? Wo sind sie?», sagte er. «Man hat den Eindruck, dem traurigen Untergang des gemeinsamen Traums von Frieden beizuwohnen, während die Einzelkämpfer des Krieges Raum gewinnen.» Franziskus ist erstmals seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine in einem Land, das direkt an das Kriegsgebiet angrenzt.

Franziskus kam später mit Bischöfen, Priestern und Personen des geweihten Lebens in der St.-Stephans-Basilika zusammen. Neben dem Vorsitzenden der ungarischen Bischofskonferenz, Andras Veres, sprach dort Jozsef Brenner. Dieser ist der Bruder des ungarischen Priesters Janos Brenner (1931-1957), der 1957 im Zuge der kommunistischen Kirchenverfolgung ermordet und 2018 als Märtyrer seliggesprochen wurde. Franziskus richtete daraufhin seine Worte mit einer Predigt an die Anwesenden.

Es ist bereits der zweite Besuch des Pontifex' in Ungarn. 2021 war er in Budapest, um den Eucharistischen Weltkongress mit einer feierlichen Messe zu beschließen. Vor Reiseantritt sagte Franziskus, er wolle nun seinen früheren Besuch «fortsetzen und abrunden». Er sieht die Reise demnach als Gelegenheit, eine Kirche und ein Volk wiederzusehen, die ihm nach eigenen Worten sehr am Herzen liegen.

Die aktuelle apostolische Reise des Papstes ist die erste nach seinem jüngsten Krankenhausaufenthalt. Am ersten Tag zeigte sich der 86-Jährige allerdings durchaus munter. Am Flughafen verließ er das Flugzeug und bewegte sich zu Fuß und nicht im Rollstuhl fort. Auch bei seinen Terminen danach ging er etwa am Gehstock und hielt seine Rede im Stehen. Schon länger macht ihm ein Knieleiden zu schaffen.

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