Nutzung von NS-Vokabular: Verfahren gegen Höcke
Für den Verfassungsschutz ist Thüringens AfD-Chef Björn Höcke ein Rechtsextremist, nun soll ein Gericht prüfen, ob er auch ein Straftäter ist. Höcke soll Ende Mai 2021 in einer Rede in Merseburg in Sachsen-Anhalt eine verbotene Losung der Sturmabteilung (SA) der NSDAP verwendet haben, als er sagte «Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland». Der frühere Geschichtslehrer soll gewusst haben, dass es sich beim letzten Teil des Spruchs um eine verbotene Losung handele, so der Vorwurf.
Nach Angaben von Höckes Büro ist es das erste Mal, dass Ermittlungen auch zu einem Strafverfahren gegen ihn führten. Konkret geht es um den Vorwurf, Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verwendet zu haben. Nach früheren Angaben der Staatsanwaltschaft hatte Höcke über seine Verteidigung die strafrechtliche Relevanz seiner Äußerung in Abrede gestellt.
Die Staatsanwaltschaft Halle hatte bereits im Mai Anklage erhoben. Das Landgericht Halle ließ diese nun zu, wie ein Gerichtssprecher mitteilte. Die Staatsanwaltschaft Halle legte sofortige Beschwerde gegen den Beschluss ein, das Verfahren am Amtsgericht Merseburg zu führen. Nun müsse das Oberlandesgericht Naumburg entscheiden, an welchem Gericht verhandelt wird, teilte eine Sprecherin des Landgerichts mit. Damit bleibt zunächst auch unklar, wann die Verhandlung startet.
«Messermörder laufen frei herum»: Höcke verteidigt sich
Höcke schrieb auf der Online-Plattform X (früher Twitter), Deutschland habe seinen Kompass verloren. «Messermörder laufen frei herum, patriotische Oppositionelle werden wegen eines aus dem Zusammenhang gerissenen Halbsatzes vor Gericht gestellt.» So ähnlich hatte er sich bereits nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen ihn auf AfD-Veranstaltungen geäußert.
In einer Veröffentlichung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags wird auf die Strafbarkeit der Formel «Alles für Deutschland» hingewiesen. Bei einer Verurteilung drohen bis zu drei Jahre Haft oder eine Geldstrafe.
Im bayerischen Passau hatte die Polizei vor kurzem Plakate mit der verbotenen SA-Losung abgenommen. Es handelte sich um Plakate der AfD. Der Landesvorsitzende der AfD in Bayern, Stephan Protschka, sagte, die Plakate seien nicht vom Landesverband genehmigt worden und stammten wohl von einem lokalen Bezirkstagskandidaten.
Rassismus-Vorwürfe
Höckes Thüringer AfD wird seit März 2021 vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft und beobachtet. Im Verfassungsschutzbericht 2021 werden ihm unter anderem rassistische Positionen vorgeworfen. Der Rechtsaußen in der AfD ist auch Vorsitzender der AfD-Fraktion im Landtag. Abgeordnete genießen grundsätzlich Immunität, also Schutz vor Strafverfolgung. Wenn eine Staatsanwaltschaft gegen sie ermitteln will, muss der Justizausschuss des Landtags diesen Ermittlungen zustimmen.
Immer wieder wurde in der Vergangenheit gegen Höcke wegen umstrittener Äußerungen ermittelt - oft ging es dabei um den Vorwurf der Volksverhetzung. Etwa in einem Eintrag bei Facebook gegen die Seenotretterin Carola Rackete mit der Zeile: «Ich habe Folter, sexuelle Gewalt, Menschenhandel und Mord importiert». Die ermittelnde Staatsanwaltschaft ging damals dem Verdacht nach, Höcke könnte mit dem Post Flüchtlinge pauschal als Kriminelle stigmatisiert haben. Es kam sogar zu einer Hausdurchsuchung. Doch die Ermittlungen wurden eingestellt, weil nicht geklärt werden konnte, ob tatsächlich Höcke der Urheber des Eintrags war.
Höckes Immunität erneut aufgehoben
Aktuell laufen noch weitere Ermittlungen gegen Höcke: Der Justizausschuss des Thüringer Landtags hob vergangene Woche seine Immunität erneut auf - und machte damit den Weg frei für eine Anklage der Staatsanwaltschaft Mühlhausen. Höcke selbst schrieb auf der Plattform X von einer «Justizkeule gegen Dissidenten». Diesmal geht es um einen Beitrag im sozialen Netzwerk Telegram. In dem Post geht es um eine Gewalttat in Ludwigshafen. Höcke schrieb unter anderem: «Wahrscheinlich ist der Täter psychisch krank und leidet an jener unter Einwanderern weit verbreiteten Volkskrankheit, welche die Betroffenen «Allahu Akbar» schreien lässt und deren Wahrnehmung so verzerrt, dass sie in den "ungläubigen" Gastgebern lebensunwertes Leben sehen.» Der Vorwurf auch hier: Volksverhetzung.
Höcke hatte jüngst mehrfach Anspruch auf eine Regierungsbeteiligung in Thüringen erhoben. Im MDR sprach er davon, im Falle eines Wahlsieges in die Staatskanzlei in Erfurt einziehen zu wollen. Seine Partei stand in Umfragen zuletzt mit Werten zwischen 28 und 34 Prozent Zuspruch auf Platz eins im Freistaat - noch vor der Linken von Ministerpräsident Bodo Ramelow. In Thüringen soll am 1. September 2024 ein neuer Landtag gewählt werden.
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