Marlene Burow als Maria in einer Szene des Films «Irgendwann werden wir uns alles erzählen»., © -/Pandora Film/dpa
Marlene Burow als Maria in einer Szene des Films «Irgendwann werden wir uns alles erzählen». -/Pandora Film/dpa, dpa
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Nach 1989: «Irgendwann werden wir uns alles erzählen»

10.04.2023

Der Film führt ins Irgendwo auf dem ostdeutschen Land im Sommer nach dem Mauerfall: Die 18-jährige Maria (Marlene Burow) sehnt sich nach mehr als dem Einerlei zwischen Wald und Flur. Sie flüchtet sich in eine von hemmungslosem sexuellen Begehren geprägte Liebe zu dem 22 Jahre älteren Bauern Henner (Felix Kramer). Doch er kann ihr Verlangen auf Dauer nicht stillen. Es kommt zu einer Katastrophe.

Die Erfolgsregisseurin Emily Atef («3 Tage in Quiberon», «Mehr denn je») hat sich mit der Verfilmung des 2011 erschienenen Bestsellers «Irgendwann werden wir uns alles erzählen» von Daniela Krien viel vorgenommen. Die Geschichte einer von sexueller Gier dominierten Lovestory, einer Amour Fou, soll die Probleme im Osten Deutschlands in der sogenannten Wendezeit spiegeln. Dem Roman gelingt das mit einer erzählerischen Dichte, die dem Film trotz mehr als zwei Stunden Dauer fehlt.

Gesellschaftliche Hintergründe aus dem Roman fehlen

Nicht allein das belastet die Kinoversion. Gravierend ist auch, dass Maria im Buch erst 16 ist. Das sorgt für enorme Spannung. Die Veränderung ihres Alters auf im Film zunächst 18 und am Ende 19 Jahre nimmt dem Stoff viel Brisanz und beschädigt die Figur. Denn sie handelt nicht wie eine Erwachsene, sondern kindlich-trotzig. Das ist unglaubwürdig. Obendrein fehlen einige im Roman fein gezeichnete persönliche und gesellschaftliche Hintergründe. Dadurch hat die Geschichte gehörig an Dringlichkeit verloren.

Die lastende Schwüle des Sommers wird in opulenten Bildern spürbar. Sie symbolisieren die Schwere eines Lebens voller lähmender Routinen. Das ist für Momente wirkungsvoll. Doch auf Dauer drängt sich die simple Frage auf, warum Maria nicht längst das Weite gesucht hat. Der Film gibt keine Antwort. Er verrät auch nicht, wieso sie ausgerechnet Henner begehrt.

Das zunächst alle Vernunft ausblendende körperliche Miteinander des ungleichen Paares zeigt Regisseurin Emily Atef kraftvoll. Marlene Burow und Felix Kramer überzeugen in den Sex-Szenen. Wobei es Felix Kramer mit ausdrucksstarker Mimik sogar gelingt, neugierig auf die Geschichte Henners zu machen, sein früheres Leben, die Gründe, warum er ein derart gebrochener Charakter ist. Leider wird die Neugier nicht befriedigt.

Momentaufnahmen vom Leben im Osten

Am Rande gibt es Momentaufnahmen vom komplizierten Leben im Osten Deutschlands nach dem Zusammenbruch des Honeckerschen Sozialismus. Betriebe verschwinden, Arbeitslosigkeit grassiert, der Alkoholmissbrauch steigt an, Hoffnungslosigkeit macht sich breit. In wenigen Szenen schafft es beispielsweise Jördis Triebel in der Rolle von Marias Mutter eindringlich eine Frau zu zeigen, deren Welt schmerzvoll aus den Fugen geraten ist.

Die wenigen, aber gelungenen Skizzen sozialer und psychologischer Folgen der politischen Ereignisse des Herbstes 1989 für viele Menschen in der nun nicht mehr existierenden DDR machen den Film bemerkenswert. Sie prägen sich stärker ein als die im Zentrum stehende Liebesgeschichte. Als künstlerisches Zeugnis der jüngsten deutschen Vergangenheit bietet der Film also durchaus einige Denkanstöße.

- Irgendwann werden wir uns alles erzählen, Deutschland/Frankreich 2023, 132 Min., FSK ab 16, von Emily Atef, mit Marlene Burow, Felix Kramer, Jördis Triebel.

© dpa-infocom, dpa:230406-99-231882/3