Fußball «veraltet»: Kings League als Bundesliga-Konkurrenz?
Der Fußball der Zukunft sieht für Gerard Piqué ganz anders aus. Mehr Show, mehr Action, viel weniger Spielzeit: Mit diesem Rezept seiner Kings League will der Ex-Profi des FC Barcelona den Kampf um Aufmerksamkeit und ein junges Publikum gewinnen.
«90 Minuten sind sehr lang. Man muss kurze, unterhaltsame Inhalte erstellen, denn heutzutage ist das Produkt Fußball selbst veraltet», sagte der frühere Welt- und Europameister zu seinem Projekt, das abseits des klassischen Fußballs für Schlagzeilen sorgt und von seiner eigenen Agentur organisiert wird.
Das Konzept der Kings League verbindet den herkömmlichen Fußball mit Show-Elementen. Zwölf Mannschaften mit Ex-Stars, aktiven Fußballern, YouTubern und Streamern treten in zwei Hälften zu je 20 Minuten gegeneinander an. Gespielt wird auf einem Kleinfeld im Sieben-gegen-Sieben-Format.
Ziel: Höhere Attraktivität
Über radikale Ansätze wie größere Tore und eine Nettospielzeit wird längst auch im deutschen Fußball nachgedacht. «Man muss über alles ergebnisoffen diskutieren dürfen, damit mehr Attraktivität entsteht: größere Tore, größerer Strafraum, Spielzeit, fliegende Wechsel. Einfach alles mal diskutieren», sagte RB Leipzigs Sportvorstand Max Eberl kürzlich dem «Kicker». Er plädierte dafür, unkonventionell zu denken, um junge Menschen weiterhin zu begeistern.
«Überlegungen sind nie schlecht, aber sobald die Bundesliga Änderungen vornimmt, wird die Teilnahme an internationalen Wettbewerben schwierig», sagt Marketingexperte Mario Leo. Er verfolgt die Entwicklung im Fußball seit Jahren und mahnt an, realistisch zu bleiben. «Wenn in Deutschland die Tore größer sind, werden sie halt in den 54 Ländern der UEFA nicht auch größer.»
Die Kings League treibt den Wandel indes schon jetzt auf die Spitze. Ein Unentschieden gibt es bei den Spielen nicht. Stattdessen Shootout: Auf den Torwart zulaufen und versuchen zu treffen. Auch der klassische Anstoß wird ersetzt: Wer zuerst am Ball ist, darf ihn behalten. Action-Karten, die während des Spiels eingelöst werden können - etwa ein sofortiger Elfmeter oder für zwei Minuten ein Mann mehr auf dem Platz - sorgen für zusätzliche Spannung.
Elf Spieltage duellierten sich die Teams in der ersten Saison sonntags rund sechs Stunden lang in einer Messehalle im Hafen von Barcelona. «In der Ligaphase ist die Kings League nicht auf eine gewisse Zuschauerzahl in einem Stadion oder einer Arena ausgerichtet. Die rund 300 Plätze in der Halle sind ausschließlich für Gäste der Mannschaften vorgesehen», erklärt Leo. «Es geht vordergründig um das Erreichen der Zielgruppe in den Wohnzimmern.»
Zuschauer immer nah am Geschehen
Dafür werden alle Spiele live im Internet gestreamt und kommentiert. Die Zuschauer sind dabei immer nah am Geschehen: In der Pause wird aus den Kabinen übertragen, die Schiedsrichter tragen kleine Kameras am Körper und erläutern hörbar ihre Entscheidungen. «Die Übertragungen werden sehr emotional, empathisch und euphorisch moderiert. Auch wenn gerade weniger im Spiel passiert, wird immer ein Spannungsbogen eingebaut», sagt Vermarktungsfachmann Leo und sieht auch darin ein Erfolgsrezept.
Doch auch außerhalb des Internets weckte die Kings League bereits in ihrer ersten Saison viel Interesse. Bei den Finalspielen im Camp Nou Ende März kamen über 90.000 vor allem junge Zuschauer in die Heimstätte des FC Barcelona. Nach diesem Erfolg will die Liga nun expandieren. Mit den etablierten großen Ligen und dem großen Fußballinteresse seien Frankreich, England und Deutschland neben den spanischsprachigen Ländern sicher Zielgebiete, erklärt Experte Leo. «Bei der Geschwindigkeit, in der die Kings League agiert, kann ich mir vorstellen, dass ein Start schon im Frühjahr 2024 in Deutschland erfolgen kann.»
Keine Konkurrenz zum klassischen Fußball
Als Konkurrenz zum klassischen Fußball sieht Leo das Projekt aber nicht. «Für mich ist das aktuell die allergrößte Konkurrenz für Futsal, das in Deutschland bisher wenig populär ist.» Hierzulande genieße die Bundesliga nach wie vor einen hohen Stellenwert - trotz der Serientitel des FC Bayern München und eher schwerer vermarktbarer Teams wie Heidenheim, Darmstadt, Wolfsburg oder Hoffenheim. «Natürlich sind Highlight-Spiele wie Bayern gegen Dortmund attraktiver als Heidenheim gegen Hoffenheim, aber das Interesse ist da», sagt Leo. Auch in den Stadien sei das weiter spürbar.
Grundlage für den zukünftigen Erfolg sei aber auch sportliche Abwechslung. «Wenn man es schafft, in der Meisterschaft den Kampf offenzuhalten, wird die Bundesliga auf lange Sicht attraktiv bleiben. Der Stellenwert der Liga wird aber nicht weiter wachsen, wenn Bayern zum 12., 13. und 14. Mal Meister wird», sagt Leo.
Eins kann sich der klassische Fußball aber seiner Meinung nach in jedem Fall von der Kings League abschauen: «Die Kings League schafft mit nur elf Spieltagen keine dauerhafte Bestrahlung. Mit den vielen Wettbewerben im Fußball fehlen Pausen. Die Überspitzung an Produkten und an Angeboten ist ein hohes Risiko.»
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