Freispruch gefordert im «Badewannen-Prozess»
Nur drei Dinge will Manfred Genditzki noch loswerden. Punkt eins: «Ich habe hier das erste Mal erfahren, dass sich die Kammer mal für die Wahrheit interessiert», sagt er vor dem Landgericht München I. Danach bedankt er sich bei seiner Frau, bei seiner Familie, bei seinen Unterstützern und seinen Anwälten für den Rückhalt in den vergangenen Jahren.
Zuvor hat die Staatsanwaltschaft im Wiederaufnahmeverfahren um den sogenannten Badewannen-Mord von Rottach-Egern Freispruch für Genditzki gefordert. Rund 13 Jahre lang hatte er für die mutmaßliche Tat im Gefängnis gesessen. Die Staatskasse sei verpflichtet, Genditzki dafür zu entschädigen, sagt Staatsanwalt Michael Schönauer. Er finde «die passenden Worte nicht».
Auch ein Unfall möglich
«Hat überhaupt eine Tat stattgefunden?» - das sei die entscheidende Frage, sagt Schönauer. Und diese Frage sei nun einmal nicht zweifelsfrei mit Ja zu beantworten. Möglich sei laut einem biomechanischen Gutachten, dass die Seniorin, die laut dem früheren Urteil von Genditzki ermordet worden sein soll, schlicht in die Wanne stürzte, sich den Kopf anschlug und ertrank. Laut einem thermodynamischen Gutachten starb die alte Frau mit sehr großer Wahrscheinlichkeit deutlich nach dem von der Staatsanwaltschaft angenommenen Tatzeitraum.
Genditzki, der in der Wohnanlage der Getöteten als Hausmeister tätig war, war 2010 vom Landgericht München II zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Nach Überzeugung des Schwurgerichts hatte der Deutsche die Seniorin im Oktober 2008 in deren Wohnung im oberbayerischen Rottach-Egern nach einem Streit auf den Kopf geschlagen und dann in der Badewanne ertränkt.
Er hat die Vorwürfe stets bestritten. Der Tag seiner Verhaftung sei für Genditzki der «Tag seiner persönlichen Zeitenwende» gewesen, sagt sein Anwalt Klaus Wittmann in seinem Schlussplädoyer und fordert - ebenso wie seine Kollegin Regina Rick - Freispruch wegen erwiesener Unschuld und nicht etwa nur, weil gilt: Im Zweifel für den Angeklagten.
Verteidigung: Kein Freispruch zweiter Klasse
Mit einem solchen Freispruch, einem der gemeinhin als Freispruch zweiter Klasse gilt, wollen die Verteidiger sich nicht zufrieden geben. «Es ist absolut nicht gerechtfertigt, irgendeinen Makel noch an Herrn Genditzki hängen zu lassen», sagt Wittmann. Die Vorwürfe seien «Unfug, einfach Unfug». «Er ist unschuldig und das muss meines Erachtens nach in dem Urteil drinstehen.»
Anwältin Rick fügt hinzu: «Man hat jemanden verurteilt, gegen den nichts vorlag und hat damit eine Realität geschaffen, die es nie gab.» Sie kritisierte die Ermittlungsbehörden von damals scharf: «Die Anklage, die war nicht nur bösartig, sondern auch schlampig.»
Sie glaube nicht daran, dass Indizien, die ihren Mandanten entlasteten, zufällig nicht in den Akten auftauchten. «Nichts von dem hat sich bewahrheitet, was in der Anklage steht.» Behauptungen in der Anklage seien nicht von Beweisen unterfüttert. Als Motiv wurde beispielsweise ein Streit angenommen. «Dieser Streit war immer und ist eine Erfindung der Justiz», betont Rick.
Das damalige Urteil war nach zwei Revisionen rechtskräftig geworden. Nach Genditzkis jahrelangem Kampf wurde der Fall schließlich neu aufgerollt - was höchst selten vorkommt. Im neuen Verfahren waren nun Gutachter gehört worden, die den jahrelang inhaftierten Mann aus Sicht seiner Verteidigung und nun auch der Staatsanwaltschaft entlasten.
Der Prozess sei «vor allem ein Sachverständigenprozess» gewesen, sagt Staatsanwalt Schönauer. Und diese hätten auf Erkenntnisse zurückgreifen können, die es in den vergangenen beiden Prozessen noch nicht gegeben habe. Die Wissenschaft habe sich seither sehr weiterentwickelt.
Das reiche nicht als Erklärung, sagen Genditzkis Anwälte und fordern eine Entschuldigung der Behörden bei Genditzki. «Es gibt nur eine Wahrheit: Herr Genditzki war es nicht», sagt Rick. «Gegen den Herrn Genditzki spricht nichts.»
Die dritte Sache, die Genditzki loswerden will an diesem Tag, ist sein letzter Satz in dem Verfahren: «Ich möchte noch sagen, ich bin unschuldig. Das war's.» An diesem Freitag (7. Juli) will Richterin Elisabeth Ehrl das Urteil sprechen.
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