Faszination Gottesanbeterin: Krabbeltierschau in Mannheim
11.05.2023
Die Gottesanbeterin hat Künstler des 18. Jahrhundert ebenso fasziniert wie zeitgenössische. Sie können sich heute wie damals ihrem morbiden Charme nicht entziehen: Bei der Mantis Religiosa endet die Paarung gelegentlich für Männchen mit dem Tod; das Weibchen lässt sich dessen Kopf während oder nach dem Akt schmecken.
Gottesanbeterinnen gehören neben Hirschkäfern und verschiedenen Schmetterlingen zu den Insekten, die sowohl als religiöse Tiere als auch auf Grund ihrer besonders prächtigen Erscheinung verehrt und gezeichnet wurden. Beispiele zeigt die Kunsthalle Mannheim in ihrer Schau «Das Insekt - Zu Darstellung in (Zeichen-)Kunst und Wissenschaft»: Eine Zeichnung von Johann Kaspar Füssli aus dem Jahr 1775 sowie ein Kurzfilm «Mad Mieter» aus dem Jahr 2019 widmen sich dem mythenumwobenen Insekt.
Die Ausstellung mit mehr als 130 Exponaten - Druckgrafiken, kleine Skulpturen, Zeichnungen, Videos - beginnt an diesem Freitag und endet am 8. August. Vertreten sind so renommierte Künstler wie James Ensor, Joseph Beuys und Max Ernst.
In kaum einem Bereich kommen sich Kunst und Wissenschaft so nahe wie bei Darstellungen von Insekten. Seit der Renaissance werden sie vielfach in Malerei, Zeichnung und Druckgrafik gezeigt. Die Wissenschaftler entwickelten durch ihr Bedürfnis nach Detailgenauigkeit höchste ästhetische Ansprüche; und die Künstler eigneten sich einen wissenschaftlichen Blick an.
Die Motivvielfalt ist fast unbegrenzt, betonen die Experten der Kunsthalle. Die Gattung der Insekten umfasst rund eine Million verschiedene Arten. Zum Vergleich: Die Menschheit ist eine einzige Art.
Früher versuchte man, Insekten, die auch nach dem toten Vorbild gezeichnet wurden, so lebendig wie möglich erscheinen zu lassen. Seit dem 20. Jahrhundert werden sie tot dargestellt. Damit wurden sie nicht mehr wie in frühen Stillleben als Symbol der Vergänglichkeit gezeigt, sondern als selbst vom Tod betroffene Wesen, die auch als Identifikationsobjekt für das Seelenleben der Menschen interpretiert werden können.
Außerdem setzen sich Künstler wie auch Gebrauchsgrafiker laut den Ausstellungsmachern seit dem 20. Jahrhundert zunehmend mit dem Unbehagen und Ekel auseinander, die zumindest in den westlichen Kulturen die Beziehung des Menschen zu den Krabbeltieren prägen.
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