Ermittlungen zur Amoktat an der Uni Heidelberg so gut wie abgeschlossen
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Ermittlungen zur Amoktat an der Uni Heidelberg so gut wie abgeschlossen

17.03.2022

Nach der Amoktat eine 18-jährigen Mannes an der Uni Heidelberg am 24. Januar sind die Hintergründe so weit we möglich aufgeklärt. Dder verstorbene 18 Jahre alte Mann war demnach ein Einzelgänger ohne soziale Bindungen zu seinen Mitstudierenden. Am Tattag war er mit zwei Langwaffen in einer Sporttasche in einem Taxi von seiner Wohnung in Mannheim ins Neuenheimer Feld in Heidelberg gefahren.

Schütze war Alleintäter

Er handelte bei der Amoktat allein. Es gab keine Mittäter, bewussten Helfer oder Anstifter. Hinweise für sonstige Mitwisser, die der Verstorbene in seinen Tatplan eingeweiht hätte, fanden sich ebenfalls keine. Das Tatmotiv konnte allerdings nicht mit letzter Sicherheit geklärt werden. Es spricht aber einiges dafür, dass der Täter sich mit der Amoktat für eine in seiner Vorstellungwelt erlittene Kränkung hatte rächen wollen. Zwischen 2028 und Anfang 2020 hatte er sich in ambulanter psychiatrischer und psychotherapeutischer Behandlung befunden. Nach der ersten Einschätzung eines forensischen Psychiaters spricht vieles dafür, dass eine narzisstische Persönlichkeitsproblematik, die mit einer gesteigerten Kränkbarkeit, einem "Hass gegen sich selbst" sowie einem sich hieraus entwickelndem Hass gegen beliebige andere Personen einhergehen kann, der maßgeblicher Grund für die Tat angeehen werden kann.

Keine persönliche Beziehung zu Opfern

Eine persönliche Vorbeziehung des Täters zu der getöteten 23-jährigen Studentin, zu den Verletzten oder zu den übrigen bei der Tat im Hörsaal anwesenden Studierenden konnte ebenso wenig festgestellt werden, wie ein konkret durch diese Personen vermittelter Tatanlass.

Keine Anhaltspunkte für rechtes Motiv

Beweismittel, die bei der Durchsuchung der Wohnung des Täters aufgefunden wurden, lassen auf dessen intensive Befassung mit Videospielen des Typs "Egoshooter" schließen. In den Monaten vor der Amoktat fertigte er zunehmend Screenshots aus seinen Videospielen an, die realistisch aussehende getötete Menschen zeigen. Es haben sich auch keine belastbaren Anhaltspunkte ergeben, dass es ein politisches, namentlich rechtsradikales Tatmotiv geben könnte. Nach Abschluss der Ermittlungen ist davon auszugehen, dass sich der Täter im Jahr 2019 einmalig für eine Fördermitgliedschaft in der Partei "Der III. Weg" interessiert, eine solche aber nie erhalten hatte, und darüber hinaus weder zu dieser Partei noch sonst in die rechtsradikale Szene Kontakte pflegte. Auch wenn sich noch weitere Hinweise dafür ergeben haben, dass der Täter als 15- bis 16-Jähriger zeitweilig mit rechtsextremen Ideologien sympathisiert haben könnte.

Amoktat war gut geplant

Verschiedene Indizien legen nahe, dass der Mann seine Tat spätestens seit Dezember 2021 geplant hatte. Aller Wahrscheinlichkeit nach stand bereits am Beginn der Planungen der Entschluss, sich zur Tatausführung Schusswaffen zu beschaffen. Zunächst erwog der Täter wohl, einen Jagdschein zu erwerben, und erkundigte sich Mitte Dezember im Internet bei einem Anbieter von Jagdausbildung nach dessen Konditionen. Inwieweit dieses Interesse tatsächlich zeitweise bestand oder ausschließlich vorgetäuscht wurde, um Waffen zu erwerben, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen. Ende Dezember 2021 beantragte der Täter einen Studienkredit in Höhe von rund EUR 7.500, der ihm in der Folge auch gewährt wurde. Mit diesen Mitteln bestritt er später alle für den Erwerb der Schusswaffen erforderlichen Aufwendungen.

Anfang Januar dieses Jahres bemühte sich der Täter das erst Mal konkret um Waffen. Er schrieb einen privaten Waffenverkäufer aus Wien eine E-Mail. Dieser hatte im Internet eine Jagdwaffe zum Verkauf inseriert, teilte dem Täter allerdings mit, dass diese längst verkauft sei. Gleichzeitig bot er ihm eine andere Jagdwaffe aus seinem Bestand zum Kauf an. Im Verlauf der ersten Januarhälfte wurden die Beteiligten handelseinig. Vereinbart wurde auf Betreiben des Verkäufers, dass die Übergabe der Waffe in den Geschäftsräumen eines Waffengeschäfts in Wien erfolgen sollte, in dem der Privatverkäufer Stammkunde war. Auch gegenüber den Personen in Österreich, die der Täter wegen des Erwerbes von Waffen kontaktierte, verschleierte er seine wahren Absichten dadurch, dass er sich als angehender Jäger ausgab, der Jagdwaffen erwerben wolle.

Zur vereinbarten Übergabe der von dem Privatverkäufer erworbenen Waffe an den Täter kam es am Nachmittag des 18.01.2022 in den Räumen des von dem Verkäufer vorgeschlagenen Waffengeschäfts in Wien. Dort hatte der Täter am Mittag desselben Tags - unmittelbar von dem Waffenhändler - noch eine weitere Waffe erworben, nämlich die Schrotflinte, mit der der Täter im Anschluss an die Tat Suizid beging. Diese Schrotflinte wurde ihm am 21.01.2022 in den Räumen des Waffengeschäfts übergeben. An jenem Tag erwarb er schließlich noch das Unterhebelrepetiergewehr, mit dem die Schüsse im Hörsaal abgegeben wurden. Dieses Gewehr wurde ihm zusätzlich zu der Schrotflinte dann sofort ausgehändigt. Die von dem Privatverkäufer erworbene Waffe beließ der Täter in dem von ihm angemieteten Hotelzimmer in Wien.

Ermittlungen gegen Waffenhändler aus Wien eingeleitet

Der Erwerb von Schusswaffen der waffenrechtlichen Kategorie C, welcher alle drei der vom Täter erworbenen Waffen angehören, ist in Österreich unter einfacheren Voraussetzungen möglich als in Deutschland. Die nach österreichischem Waffenrecht geltenden formalen persönlichen Voraussetzungen des Erwerbers wurden vom Täter erfüllt. Bei der Durchführung des Waffengeschäftes selbst verlangt das österreichische Recht allerdings auch den Ablauf einer sogenannten "Abkühlphase" von drei Tagen, die zwischen dem Abschluss des Kaufvertrages über die Waffe und deren Übergabe an den Käufer liegen muss. Die Staatsanwaltschaft Heidelberg geht davon aus, dass diese "Abkühlphase" in Bezug auf das Unterhebelrepetiergewehr nicht und in Bezug auf die Schrotflinte nicht vollständig eingehalten wurde. Das österreichische Waffenrecht sieht allerdings keine Sanktion im Falle eines solchen Verstoßes vor.

Die Staatsanwaltschaft Heidelberg sieht hingegen einen strafrechtlichen Anfangsverdacht der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung gegen den Inhaber des Wiener Waffengeschäftes und seinen Mitarbeiter, der den Täter bediente. Denn bei korrekter Einhaltung der "Abkühlphase" wäre der Täter zum Tatzeitpunkt noch nicht im Besitz der beiden Waffen gewesen und hätte die Amoktat - jedenfalls zur gegebenen Zeit und in der gegebenen Art und Weise - nicht ausführen können. Die Staatsanwaltschaft Heidelberg hat daher förmliche Ermittlungsverfahren gegen diese beiden in Österreich wohnhaften Personen eingeleitet. Ob die insoweit noch andauernden Ermittlungen zu einem für eine Anklageerhebung hinreichenden Straftatverdacht führen werden, erscheint derzeit offen. Derzeit gelten die beiden Personen als unschuldig.

Bild: Symbolbild shutterstock