Bunt gegen Hass: Zehntausende feierten CSD in Stuttgart
Mit der traditionellen bunten Parade zum Christopher Street Day (CSD) haben in Stuttgart Zehntausende für Gleichstellung und Akzeptanz demonstriert. Nach Angaben von Polizei und Veranstalter waren am Samstag rund 40.000 Teilnehmer am Demonstrationszug dabei, etwa 400.000 Menschen säumten demnach die Aufzugsstrecke. «Der Umzug war sensationell gut», freute sich am Sonntag Detlef Raasch, Vorstandsmitglied von CSD Stuttgart.
Die Veranstaltung unter dem Motto «Nicht mit uns! Gemeinsam sicher und stark.» richtete den Fokus dieses Jahr gegen queerfeindliche Übergriffe und Hasskriminalität. Sie verlief weitgehend reibungslos. Nach Veranstalterangaben nahmen rund 130 Formationen an der Demo teil. Auch am Sonntag gab es noch Programm.
Zu einem Zwischenfall kam es am späten Samstagnachmittag auf dem Schlossplatz, als eine teils vermummte Gruppe aus dem linken Spektrum einen als Bühne vorgesehenen CSD-Lastwagen blockierte und die Abschlusskundgebung störte. Als Versammlungsleiter Raasch sie ansprach, wurde er leicht verletzt. Er bekam nach eigenen Angaben einen Ellenbogen «in den Kiefer gehauen». Er habe Schmerzmittel genommen und weiter gefeiert, sagte er am Sonntag. Als Motiv für die Störung schloss er nicht aus, dass den Vermummten einzelne CSD-Teilnehmer wie die CDU und die Polizeipräsenz nicht gepasst hätten.
Einsatzkräfte der Polizei drängten etwa 50 Personen der Gruppierung ab und kontrollierten sie. Sympathisanten aus dem linken Spektrum hätten die Polizei auf dem Weg vom Schlossplatz zum Innenhof des Neuen Schlosses angegriffen. Eine 26-Jährige, die im Verdacht steht, einen Polizisten leicht verletzt zu haben, wurde demnach festgenommen - kam aber später wieder auf freien Fuß.
«Auch wenn queere Menschen in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein scheinen und viel Unterstützung spüren, beobachten wir einen deutlichen Anstieg queerfeindlicher Übergriffe und aggressiver Stimmungen», begründeten die Veranstalter das diesjährige Motto auf ihrer Homepage. Nach fast jedem CSD in einer deutschen Stadt seien Teilnehmende attackiert oder schwer verletzt worden.
«Nicht ohne uns!» - mit dieser Zielsetzung hat sich in Stuttgart eine neue interkulturelle Allianz gebildet, die sich gegen alle Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit einsetzt. Dabei sind die türkische Gemeinde in Baden-Württemberg und die jüdische Studierendenunion Württemberg sowie der liberal-islamische Bund. Auch sie nahmen an der CSD-Parade teil.
Wegen des CSD kam es laut Polizei zu Verkehrsbehinderungen rund um den Cityring. Teilweise waren Strecken und Zufahrten gesperrt, einige Parkhäuser konnten nur eingeschränkt angefahren werden. Der Verkehr wurde teils umgeleitet. Auch mehrere Buslinien in der Innenstadt waren durch die Straßensperrungen eingeschränkt.
Nicht nur in der Landeshauptstadt wurde demonstriert und gefeiert. Mit der sogenannten Dorfpride soll der CSD auch in ländliche Regionen geholt werden, die eher für konservative Lebensstile stehen. Die diesjährige Dorfpride stand in Wiesloch (Rhein-Neckar-Kreis) auf dem Plan.
Der Christopher Street Day wird weltweit gefeiert. Die Bewegung geht auf Ereignisse im Juni 1969 zurück, als Polizisten in New York eine Bar in der Christopher Street stürmten und so einen Aufstand von Schwulen, Lesben und Transmenschen auslösten.
Auf der linken Plattform «Indymedia» hieß es, der CSD in Stuttgart stehe nicht mehr in dieser Tradition, bei der sich «Massen an queeren Menschen gegen die alltägliche Unterdrückung durch Polizei und Gesellschaft wehrten». Er sei stattdessen «eine kommerzialisierte Party, bei der sich bürgerliche Parteien, Unternehmen und sogar die Polizei immer wieder selbst darstellen. Der CSD dient dazu, die bürgerliche Demokratie zu schmücken, ohne dabei aber die extreme Gewalt systematisch anzugehen, der queere Menschen auch heute noch ausgesetzt sind.»
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