Abschied nehmen bei Corona

Abschied nehmen bei Corona

26.02.2021

Abschied zu nehmen ist nie leicht, und Corona macht es einfach noch viel schwerer. Seit Beginn der Pandemie sind in Baden-Württemberg etwa 8.000 Menschen an oder mit dem Corona-Virus gestorben. Eine große Zahl, hinter der viele Einzelschicksale stehen. Ute Züfle leitet ein Bestattungsunternehmen in Stuttgart. Sie begleitet Angehörige in ihrer Trauer und hat selbst zwei Menschen an das Virus verloren. Wir haben uns mit ihr unterhalten - das komplette Gespräch hört Ihr hier:

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"Egal wie alt jemand wurde, wenn jemand stirbt, ist das so unwirklich. Da kann es helfen, sich in Ruhe nochmal zu verabschieden und dem Verstorbenen die Hand zu halten. Und das ist jetzt gefühlt ersatzlos gestrichen.”

Als wir das Gespräch im Februar 2021 geführt haben, hatte ein Viertel der Verstorbenen, die Züfles Bestattungsunternehmen begleitet, Corona. Die Ärzte geben ihr nicht mehr Bescheid, wenn eine Person an COVID-19 gestorben ist, sondern wenn nicht. Abschied nehmen ist in diesen Zeiten schwierig, wenn Menschen ihre Angehörigen nicht wie gewohnt in Krankenhäusern besuchen und Trauerfeiern nur begrenzt stattfinden dürfen. “Wir wissen, wie wichtig Abschied nehmen sein kann um [den Tod] zu verstehen", erzählt Züfle. "Egal wie alt jemand wurde, wenn jemand stirbt, ist das so unwirklich. Da kann es helfen, beim Abholen oder Ankleiden dabei zu sein, sich in Ruhe nochmal zu verabschieden und dem Verstorbenen die Hand zu halten oder einen Kuss auf die Wange zu geben. Und das ist jetzt gefühlt ersatzlos gestrichen”.

Bestatter finden kreative Ideen

Die Bestatter suchen nach anderen Wegen, um einen solchen Abschied zu ermöglichen. Gerade, wenn nicht alle Freunde oder Angehörigen an einer Trauerfeier teilnehmen dürfen. Dann kann diese aufgezeichnet werden, oder es zünden alle gemeinsam zur selben Zeit eine Kerze an und sind so in Gedanken beieinander. “Wir sind traurig, dass es nicht so stattfinden kann, wie es für die Hinterbliebenen gut wäre. Andererseits entwickeln wir täglich Ideen, was Trauernden helfen kann”. Ein letzter Fingerabdruck des Verstorbenen ist so eine Idee, von dem sich Angehörige ein Schmuckstück anfertigen lassen können. Oder eine Haarlocke als persönliches Andenken. Das wichtigste sei aber, zuzuhören, über den Tod zu sprechen.

“Es ist immer noch schwierig zu sagen, mein Angehöriger ist an Corona verstorben. Ich nehme das immer noch als Stigma wahr, was ich nicht ganz verstehe.”

Persönliche Verluste

Die Arbeit lasse sich nicht gänzlich vom Privatleben trennen, wenn beispielsweise Menschen sterben, deren Angehörige sie kennt. Was sie in ihrer Arbeit motiviert: "Es ist etwas schlimmes passiert, das ich nicht ändern kann, aber aus dieser tragischen Situation kann ich das beste machen. Ich kann dazu beitragen, dass die Zurückgebliebenen mit diesem Tod bestmöglich leben können.”

Sie selbst hat zwei Menschen durch Corona verloren. Ein Freund starb, er war jung, “der stärkste Mann in meinem persönlichen Umfeld”, sie selbst hielt bei der Beerdigung die Trauerrede. Drei Wochen später starb ihr Onkel, ein Pfarrer, die Trauerfeier in der Kirche fand im Sommer statt. Damals konnten gut 100 Menschen teilnehmen, dennoch, so wichtige Gesten wie eine Umarmung waren nicht möglich. Bei einer Trauerfeier dann selektieren zu müssen, wer wird eingeladen, wer nicht – das ist schwer.

Die Hilflosigkeit der Hinterbliebenen nimmt sie am meisten mit oder Menschen, die immer noch Corona leugnen. “Ich weiß, dass es Corona gibt, ich weiß, dass es zum Tode führen kann. Auch bei jungen Menschen innerhalb kürzester Zeit.” Wer das leugne, dürfe gerne mal bei ihr im Bestattungsunternehmen mithelfen. “Ich finde es wichtig, dass jeder auf sich aufpasst und wir alle aufeinander aufpassen.