Ultranationalist und Kriegsbefürworter Girkin in Haft
Der frühere russische Geheimdienstoffizier und Ultranationalist Igor Girkin - bekannt unter dem Kampfnamen Igor Strelkow - ist wegen Extremismus-Vorwürfen verhaftet worden. Ein Gericht in Moskau setzte gegen den 52-Jährigen Untersuchungshaft bis 18. September an.
Russische Medien veröffentlichten Fotos und Videos von Girkin in einem Glaskasten vor Gericht. Girkin, der in Russlands Krieg ein entschlosseneres Vorgehen gegen die Ukraine verlangt hatte, muss sich wegen Extremismus verantworten. Über die Festnahme hatte auch seine Frau Miroslawa Reginskaja auf Girkins Telegram-Kanal informiert.
Verbindungen zu MH17-Absturz im Jahr 2014
Beamte des Ermittlungskomitees nahmen ihn nach einer Wohnungsdurchsuchung mit. Kommentatoren sprachen von einer weiteren Säuberungsaktion des Sicherheitsapparats, der seit Tagen verschärft gegen Kritiker der Militärführung vorgeht, darunter auch Generäle. Girkin leitete 2014 den Aufstand der vom Kreml gelenkten Separatisten im ukrainischen Donbass-Gebiet; in der «Volksrepublik Donezk» nannte er sich Verteidigungsminister.
Gegen ihn liegt ein internationaler Haftbefehl wegen seiner Beteiligung am Abschuss des malaysischen Passagierflugzeugs MH17 im Jahr 2014 über dem Donbass vor. Damals starben alle 298 Insassen an Bord.
Girkin gilt zwar als strammer Kriegsbefürworter, er kritisierte aber zunehmend scharf die Militärführung Russlands - und warf ihr etwa Inkompetenz und Korruption vor. Kritisierte er zunächst vor allem Generalstabschef Waleri Gerassimow und Verteidigungsminister Sergej Schoigu, so richteten sich seine Vorwürfe zuletzt auch zunehmend gegen Präsident Wladimir Putin, dem er Untätigkeit vorwarf.
Zusammenhang mit Wagner-Aufstand
Seine Festnahme erfolgte demnach auf Anzeige eines früheren Söldners der Privatarmee Wagner hin. Wagner kämpfte in der Ukraine lange an der Seite regulärer Moskauer Truppen. Girkin trug seit Monaten einen Konflikt mit dem Chef der Wagner-Truppe, Jewgeni Prigoschin, offen aus. Nach der von Prigoschin geleiteten kurzzeitigen Revolte gegen die Militärführung warf er Wagner Hochverrat vor.
Zwar hatte auch Kremlchef Putin am Tag des Aufstands und dem Marsch von Wagner-Truppen Richtung Moskau von «Verrat» gesprochen, später sicherte er aber den Beteiligten nach Verhandlungen und dem von Prigoschin angekündigten Rückzug Straffreiheit zu. Zuletzt wurde zudem bekannt, dass Putin Prigoschin und 35 hochrangige Offiziere der Wagner-Truppe noch nach dem Aufstand im Kreml empfangen hatte.
Viele Söldner sind inzwischen in Belarus, dessen Machthaber Alexander Lukaschenko sich während der Revolte als Vermittler eingeschaltet hatte. Girkin hatte dies als Fahnenflucht kritisiert.
© dpa-infocom, dpa:230721-99-487196/9