Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier steht beim Sommerinterview von «Berlin direkt» mit der ZDF-Chefredakteurin Bettina Schausten zusammen., © Jann Höfer/ZDF/dpa
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier steht beim Sommerinterview von «Berlin direkt» mit der ZDF-Chefredakteurin Bettina Schausten zusammen. Jann Höfer/ZDF/dpa, dpa
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Steinmeier besorgt über hohe AfD-Umfragewerte

09.07.2023

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich besorgt über die hohen Umfragewerte der AfD gezeigt und vor reinen Protestwahlen gewarnt. Im ZDF-Sommerinterview unterstützte er die Bundesregierung bei ihrer Ablehnung von Streumunition. Auch der Klimaschutz war ein Thema. Was der Bundespräsident wozu sagt:

Umfragehoch der AfD

«Ja, die Umfragen sind beunruhigend», sagte Steinmeier. «Aber sie dürfen nicht dazu führen, dass wir jede kritische Frage automatisch als Populismus und Rechtsextremismus einordnen.» Zugleich betonte er, jeder Wähler und jede Wählerin übernehme Verantwortung für das, was er und sie tue - auch wenn man «eine Partei stärkt, die zur Verrohung der Auseinandersetzung beiträgt».

«Wir dürfen das Geschäft der Angstmacher in dieser Gesellschaft nicht noch weiter fördern», mahnte Steinmeier. «Was wir brauchen, ist nicht eine Konjunktur der Angstmacher, sondern eine Konjunktur der Problemlöser. Und es ist ja nicht so, als ob wir von denen keine hätten.»

Ampel und Stimmung im Land

Wenn sich größere Teile der Wählerschaft von den regierenden Parteien abwendeten und die größte Oppositionspartei davon nicht gewinne, werfe dies Fragen auf, sagte Steinmeier. «Selbstverständlich müssen sich Regierungsparteien auch fragen, und sie tun es ja, ob man die richtigen Themen hat, ob Themen ausgelassen werden, ob man die richtige Kommunikation wählt, ob man die Geschlossenheit an den Tag legt, die Wählerinnen und Wähler erwarten, oder ob es zu viel Streit gibt.» Er warne aber davor, immer gleich zu fragen, wer Schuld habe. «Ist es Habeck, ist es Scholz, ist es Lindner, ist es Merz? Ich glaube, damit greifen wir zu kurz.»

Die Stimmung im Land werde auch von ganz anderen Dingen beeinflusst. «Wir sind, das dürfen wir nicht ganz vergessen, eine Gesellschaft im Stress», sagte Steinmeier und wies auf die Finanz- und Euro-Krise hin, auf die Zuwanderung von Flüchtlingen, die Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg. «Das sind außergewöhnliche Situationen. Da muss man Verständnis dafür haben, dass die Menschen Fragen haben.»

Ukraine-Krieg

Steinmeier ließ erkennen, dass er die von den USA geplante Lieferung von international weitgehend geächteter Streumunition nicht gutheißt. Die Position der Bundesregierung, sich gegen Streumunition auszusprechen, sei nach wie vor richtig, sagte er. «Aber sie kann in der gegenwärtigen Situation den USA nicht in den Arm fallen.» Steinmeier wies darauf hin, dass er 2008 in Oslo als Außenminister für Deutschland das internationale Abkommen zur Ächtung der Streumunition unterschrieben habe. «Ich bin da befangen.»

Verhältnis zu Russland

Steinmeier zeigte sich offen für eine grundsätzliche Aufarbeitung des deutschen Verhältnisses zu Russland bis zum Überfall auf die Ukraine. «Manches würde sich bei dieser Aufarbeitung auch korrigieren, nämlich der Eindruck, als ob das irgendwie eine Art von Naivität oder gar Liebesdienerei gegenüber Russland gewesen sei. Das Gegenteil ist doch der Fall.» Nicht nur Deutschland, auch die USA und viele andere Staaten hätten versucht, in Europa eine Sicherheitsarchitektur unter Einbeziehung Russlands zu schaffen.

«Das hat nicht funktioniert am Ende. Auch wir haben es nicht hingekriegt.» Die Lehre sei, dass Sicherheit in Europa künftig nicht mehr eine gemeinsame Sicherheit mit Russland sein werde, «sondern wir werden uns voreinander schützen», sagte Steinmeier.

Klimaschutz

Das Interview wurde im Ahrtal aufgezeichnet, wo eine Flut vor zwei Jahren schwere Verwüstung angerichtet und 136 Menschenleben gekostet hat. Man müsse daraus lernen, forderte Steinmeier. «Und die entscheidende Botschaft aus dieser Flutkatastrophe ist doch: Der Kampf gegen den Klimawandel ist notwendig. Wir schützen am Ende nicht nur das Klima, sondern wir schützen uns selbst.»

© dpa-infocom, dpa:230709-99-340910/3