Psychisch Kranker ersticht Frau: Sondersitzung geplant
Die tödliche Messerattacke auf eine 30 Jahre alte Frau in Wiesloch (Rhein-Neckarkreis), für die ein zuvor aus der Psychiatrie geflohener Mann verantwortlich sein soll, hat ein parlamentarisches Nachspiel. An diesem Freitag werde es eine Sondersitzung des Sozialausschusses geben, teilten die SPD- und die FDP-Landtagsfraktion am Montag mit. Anschließend sei eine Aussprache anberaumt. Sozialminister Manne Lucha (Grüne) erklärte nach Worten einer Sprecherin, dem Sozialausschuss selbstverständlich «Rede und Antwort zu stehen und umfänglich über den Fall und das, was bis dahin bekannt ist, zu berichten». Der Tat dringend verdächtig ist ein 33 Jahre alter Mann aus Somalia, der zuvor aus dem Psychiatrischen Zentrum Nordbaden (PZN) in Wiesloch geflohen war.
Bisherigen Erkenntnissen zufolge hatte der Mann auf seiner Flucht durch die Wieslocher Innenstadt am vergangenen Freitag ein Kaufhaus betreten und dort ein Messer entwendet. Damit soll er unmittelbar darauf in dem Laden auf die 30-Jährige eingestochen haben. Das teilte die Staatsanwaltschaft Heidelberg mit. Die Frau starb im Krankenhaus. Gegen den 33-Jährigen wurde Unterbringungsbefehl wegen Mordes erlassen. «Dieser Tod ist schrecklich und darf nicht ohne Folgen bleiben», sagte der SPD-Gesundheitsexperte Florian Wahl. «Minister Lucha muss nun alles daransetzen, dass es im Maßregelvollzug keine weiteren Ausbrüche mehr gibt», ergänzte der gesundheitspolitische Sprecher der FDP, Jochen Haußmann.
Der mutmaßliche Täter und das Opfer kannten sich nicht. Warum genau der Somalier zustach, ist unklar. «Wir vermuten, dass wir das auch nicht herausfinden werden», sagte ein Sprecher der Anklagebehörde am Montag. «Der Mann ist psychisch krank.» Laut Mitteilung ist er dringend verdächtig, «aufgrund einer wahnhaften Störung im Zustand der Schuldunfähigkeit heimtückisch einen Menschen getötet zu haben». Zur Tat geäußert habe er sich bisher nicht.
Er soll nun in die Psychiatrie nach Weinsberg verlegt werden, sagte eine Sprecherin des PZN. Wann genau dies geschehen soll, sei noch unklar. Die Einrichtung in Weinsberg gehört ebenso wie das PZN zu den sieben Zentren für Psychiatrie in Baden-Württemberg.
Laut Anklagebehörde lebt der Verdächtige schon seit 2014 in Deutschland und fiel bereits durch mehrere Straftaten auf. Seit 2020 war er in der Psychiatrie untergebracht, zunächst vorläufig und seit 2021 im Rahmen eines sogenannten Sicherungsverfahrens angeordnet vom Landgericht Heidelberg. Gegenstand dieses Verfahrens seien sieben seit Juli 2020 begangene Straftaten gewesen: Eine sexuelle Belästigung, eine vorsätzliche Körperverletzung, zwei Fälle der Beleidigung sowie drei Fälle des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, teilte die Staatsanwaltschaft Heidelberg weiter mit.
Wie es aus dem Sozialministerium hieß, hatte es in den zurückliegenden Jahren keine sogenannte Entweichung aus dem Sicherheitsbereich des PZN in Wiesloch gegeben. Im Vorjahr seien es in allen sieben Zentren für Psychiatrie insgesamt 56 Entweichungen gewesen. In den sechs Jahren davor kam es den Angaben zufolge zu durchschnittlich 52 solcher Vorkommnisse pro Jahr.
Es habe aber in den letzten 20 Jahren keinen einzigen Fall gegeben, bei dem es im Zusammenhang mit einer Flucht aus dem Maßregelvollzug zu einem Tötungsdelikt gekommen sei. «Dies ist ein extremer und sehr tragischer Vorfall, bei dem die weiteren Ermittlungen zeigen werden, wo noch Ansatzpunkte zur Vermeidung einer solchen Tat liegen könnten.» Maßregelvollzug ist für Straftäter gedacht, die psychisch krank oder süchtig sind.
SPD-Gesundheitsexperte Wahl hatte am Sonntag von einer fatalen baulichen Situation und einem massiven Personal- und Platzmangel im PZN gesprochen. Eine Sprecherin der Einrichtung berichtete zwar von einem Anstieg der Belegung um 20 Prozent seit dem Jahr 2018. Die personelle Ausstattung sei aber entsprechend angepasst worden. Erst im Juni habe es einen Ortstermin für eine sicherungstechnische Beratung durch einen Sachverständigen des Landeskriminalamtes gegeben. Dabei seien die vorhandenen Sicherheitsstandards als insgesamt gut bewertet worden. Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Sicherheit seien zu Teil schon umgesetzt.
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