Neuling Brendel Mehrkampf-Achter bei Turn-EM
Pascal Brendel brachte den Abgang vom Reck sicher in den Stand, ballte kurz die Fäuste und wurde dann freudig von Bundestrainer Valeri Belenki und Team-Routinier Andreas Toba umarmt. Bei seinem EM-Debüt turnte sich der 19-Jährige aus Wetzlar auf Anhieb in die europäische Mehrkampf-Elite.
Brendel kam in Antalya auf 81,164 Punkte im Sechskampf aus Boden, Pauschenpferd, Ringe, Sprung, Barren und Reck und wurde Achter. Den Titel sicherte sich Adem Asil aus der Türkei mit 84,965 Zählern vor dem Briten Jake Jarman, der 83,463 Punkte erreichte. Dritter wurde Illia Kowtun aus der Ukraine mit 83,032 Punkten.
«Jetzt ist ein Grund zum Feiern, aber ich weiß auf jeden Fall, dass noch Luft nach oben ist», sagte Brendel, «mein Wettkampf war gut und ich habe mein Zeug noch mal gemacht. Ich bin zufrieden mit meinem ersten Mehrkampf-Finale.» Lob gab es vom Bundestrainer: «So was zu erleben, zum zweiten Mal fehlerfrei, das ist aus meiner Sicht perfekt. Er hat einen super Wettkampf gemacht, sich gut platziert unter den ersten Acht - ich freue mich, dass er sich so weit entwickelt hat, da sind wir stolz auf ihn.»
Lobeshymne und Luft nach oben
Angefeuert von seinen Team-Kollegen auf den Rängen trug Brendel seine ersten beiden Übungen am Boden und Pauschenpferd mit erstaunlicher Präzision und Sicherheit vor und lag im Zwischenklassement auf Rang sechs. An den Ringen wackelte er anschließend etwas, kämpfte sich mit einem soliden Sprung aber zurück in die Top Ten. Zur Unterstützung am Barren präparierte Team-Routinier Andreas Toba (Hannover) das Gerät, doch Brendel turnte zu unsauber für eine hohe Wertung. Am abschließenden Reck dann sicherte er den Top-Ten-Platz gekonnt ab.
Bei dem Potenzial von Brendel kommt selbst der kritische Bundestrainer ins Schwärmen. 81,732 Punkte in der Qualifikation und Platz sechs bestätigten den 53-Jährigen in seiner Ansicht. «Ein neuer Star ist geboren», befand Belenki. Und nach seiner Meinung ist der Wetzlarer noch längst nicht am Ende, weil er im Sinne der Mannschaftsdienlichkeit kein Risiko eingegangen war und nur sichere Übungen geturnt hatte. «Er kann an vielen Geräten die Übungen noch aufstocken», betonte Belenki. Er sieht in Brendel insbesondere perspektivisch einen Medaillenkandidaten: «Der Junge hat Zukunft.»
Brendel selbst weiß auch, dass er sein Potenzial noch nicht ausgeschöpft hat. «Ich weiß auf jeden Fall, dass noch etwas Luft nach oben da ist. Da will ich auf jeden Fall hin», betonte der deutsche Meister am Pauschenpferd, der im vergangenen Herbst in Liverpool erstmals bei einer Weltmeisterschaft geturnt hat. «Das hat mir Motivation gegeben», erklärte er.
Mannschaftstraining als nächster Schritt
Auf sein derzeitiges Niveau hat ihn sein Vater Matthias gebracht, der den Auftritt seines Filius im Antalya Spor Salonu von der Tribüne aus verfolgte und ihn auch unterstützte, ohne direkt bei ihm zu sein. «Natürlich ist es für mich einfacher, wenn er da ist und mit mir redet vor dem Gerät. Wir telefonieren sehr viel oder schreiben», berichtete Pascal Brendel. «Er gehört zu den größten Talenten Deutschlands. Wir haben sehr wenige solcher Turner. Großes Lob an den Trainer, was Technik anbelangt», lobte der Bundestrainer.
Soll Brendels Aufschwung weiter mit dessen Talent Schritt halten, führt nach Meinung von Belenki jedoch auf Dauer kein Weg an einem Wechsel vom Einzeltraining in eine größere Gruppe vorbei. «So lange ein Turner sich bei sich zu Hause gut entwickelt, werde ich keinen zwingen», sagte Belenki. Aber er habe bereits mit dem 19-Jährigen gesprochen, dass es sinnvoll sei, wenn er sich beispielsweise bei Übungsdurchgängen in starken Gruppen bewege. Dabei denkt der Mannschafts-Olympiasieger von 1992 auch daran, ihn in Stuttgart unter seine Fittiche zu nehmen. «Das macht Spaß, mit ihm zu arbeiten», betonte Belenki.
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