Ein leerer Hörsaal an einer Universität., © Sebastian Gollnow/dpa/Symbolbild
Ein leerer Hörsaal an einer Universität. Sebastian Gollnow/dpa/Symbolbild, dpa
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Ministerium prüft Gebühren für internationale Studierende

11.04.2023

Die Gebühren für internationale Studierende in Baden-Württemberg stehen dem Wissenschaftsministerium zufolge auf dem Prüfstand. Die Notwendigkeit von Studiengebühren und ob diese aktuell zeitlich ausgesetzt werden könnten, werde derzeit intensiv geprüft, teilte ein Sprecher am Dienstag auf Anfrage mit. Entscheidend sei etwa, wie viele Studierende aus dem Ausland ihr Studium abschließen und anschließend zumindest temporär im Land als Fachkräfte arbeiten.

Für Juni erwartet das Wissenschaftsministerium demnach einen Bericht des sogenannten Monitoring-Beirats. Dieses Gremium untersucht seit Einführung der Gebühren die Auswirkungen der Regelung. Den letzten derartigen Bericht gab es im März 2021.

Zuvor hatte die Wirtschaft wegen des Fachkräftemangels das Ende der Gebühren gefordert. «Auch wenn der Löwenanteil fehlender Fachkräfte aus der dualen Aus- und Weiterbildung stammt, brauchen wir im Land bis 2035 allein 74.000 Fach- und Führungskräfte mit bestimmten Hochschulabschlüssen», sagte Christian Erbe, Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags (BWIHK), der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Es sei klar, dass man diesen Mangel nicht ohne zahlreiche ausländische Fachkräfte beheben könne.

Anders als in den anderen Bundesländern sei die Zahl ausländischer Studierender seit Einführung der Gebühren um 8,8 Prozent gesunken, sagte Erbe. Sie seien daher kontraproduktiv und kein zeitgemäßes Instrument im Kampf um Fachkräfte. Der BWIHK ist der Dachverband der Industrie- und Handelskammern in Baden-Württemberg und vertritt nach eigenen Angaben etwa 650.000 Unternehmen.

Die Prüfung ist dem Ministeriumssprecher zufolge aber keine Folge der BWIHK-Forderung. Mit Blick auf den enormen Fachkräftebedarf sei es vielmehr unerlässlich, möglichst viele qualifizierte und motivierte Menschen für ein Studium im Südwesten zu gewinnen. Daher befasse man sich aktuell mit dem gesamten Studienverlauf von Studierender aus dem Ausland: Von den Zulassungsbedingungen und Studiengebühren über englischsprachige Lehrangebote bis hin zu den Chancen des Dualen Studiums, mit dem die Nähe zu Unternehmen hergestellt wird.

Die Wirtschaft klagt schon seit Jahren darüber, keine qualifizierten Mitarbeiter zu finden. Zahlreiche Stellen bleiben unbesetzt. Zugleich verabschieden sich die Baby-Boomer allmählich aus dem Arbeitsleben. Der im vergangenen Jahr aktualisierte Fachkräfte-Monitor des BWIHK prognostiziert für 2035 eine Lücke von 903.000 Fachkräften.

BWIHK-Chef Erbe schlug daher auch vor, zusätzliche Anreizinstrumente zu schaffen, um junge Akademikerinnen und Akademiker aus dem Ausland zum Bleiben zu bewegen. «Noch verlassen uns zu viele direkt nach dem Abschluss wieder. Dabei bieten unsere Betriebe mit ihrer internationalen Ausrichtung beste Karriere- und Lebensperspektiven», sagte er. Damit sie der Südwest-Wirtschaft erhalten bleiben, müssen seiner Ansicht nach die Rahmenbedingungen für diese Menschen, gerade auch nach dem Studium, deutlich attraktiver gemacht werden.

Unterstützung kam von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Die GEW-Landesvorsitzende Monika Stein sagte: «Die Grünen wollen für Innovation stehen und regieren bundesweit das einzige Bundesland, in dem es Studiengebühren gibt». Es sei absurd, dass mit der Kampagne «The Länd» Fachkräfte aus dem Ausland angeworben werden sollten, aber die Hochschulen die Türen nicht für talentierten Nachwuchs aus aller Welt öffnen würden. Wissenschaftsministerin Petra Olschowski (Grüne) sollte die Erbschaft ihrer Vorgängerin ablehnen. Auch die SPD-Landtagsfraktion sprach sich für eine Abschaffung der Studiengebühren aus.

Die erste grün-schwarze Landesregierung unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte die Gebühren zum Wintersemester 2017/18 eingeführt. Seitdem müssen neu eingeschriebene Studentinnen und Studenten aus Nicht-EU-Ländern zusätzlich zu den üblichen Beiträgen 1500 Euro pro Semester bezahlen. Es gibt aber Ausnahmen, etwa für Studierende aus ärmeren Regionen. Die Entscheidung hatte damals erhebliche Kritik auf sich gezogen.

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