Israels Premier Benjamin Netanjahu während einer Kabinettssitzung., © Abir Sultan/EPA/AP/dpa
Israels Premier Benjamin Netanjahu während einer Kabinettssitzung. Abir Sultan/EPA/AP/dpa, dpa
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Israel: Warnung vor schweren Schäden bei Justizumbau

30.07.2023

Die massiven Proteste in Israel gehen auch nach der Durchsetzung eines Kernelements der umstrittenen Justizreform weiter. Rund 160.000 Menschen demonstrierten den 30. Samstagabend in Folge in der Küstenmetropole Tel Aviv gegen die Politik der rechts-religiösen Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

Tausende Demonstranten schwenkten blau-weiße Nationalflaggen, die zum Symbol der Protestbewegung geworden sind. Auch in zahlreichen anderen Städten gingen Menschen erneut auf die Straße. 64 von 120 Abgeordneten hatten vor einer Woche ein Gesetz verabschiedet, das dem Obersten Gericht die Möglichkeit nimmt, gegen «unangemessene» Entscheidungen der Regierung vorzugehen.

Warnung vor schweren wirtschaftlichen Schäden

Der frühere israelische Zentralbankchef Jaakov Frenkel warnte in einer Ansprache vor den Demonstranten in Tel Aviv vor schweren wirtschaftlichen Schäden der Justizreform. Mit der Billigung des ersten Gesetzes zur Schwächung der Justiz habe die Netanjahu-Regierung «den Rubikon überschritten», sagte Frenkel nach Angaben der Nachrichtenseite ynet. Ausländische Investoren seien besorgt angesichts des dramatischen Wandels in Israel binnen eines halben Jahres. «Wir haben noch nie eine so große Wertvernichtung innerhalb so kurzer Zeit erlebt», sagte Frenkel demnach. «Nicht durch Feinde von außen, sondern durch die Regierungspolitik.» Die Regierung habe ihr Versprechen gebrochen, die Reform nur auf der Basis eines breiten Konsens durchzusetzen.

Die Ratingagentur Morgan Stanley hatte nach der Billigung des Gesetzes die Kreditwürdigkeit des Landes herabgesetzt. Eine weitere Ratingagentur, Moody's, warnte vor negativen Folgen für Israels Wirtschaft angesichts der politischen und sozialen Spannungen. Auch die israelische Währung, der Schekel, verliert kontinuierlich an Wert.

Kritik an Regierung als Gefahr für die Demokratie

Kritiker stufen das Vorgehen der Regierung als Gefahr für Israels Demokratie ein und warnen, das Land sei dabei, sich in eine Diktatur zu verwandeln. Netanjahus Regierung argumentiert dagegen, das Oberste Gericht sei in Israel zu mächtig und mische sich zu stark in politische Fragen ein.

Im September will sich das Oberste Gericht mit Petitionen gegen das umstrittene Gesetz befassen. Sollte das Gericht es einkassieren und die Regierung dies aber nicht akzeptieren, droht Israel eine Staatskrise. Während eines Interviews mit dem US-Sender CNN ging Netanjahu nicht darauf ein, ob seine Regierung sich an ein Urteil des Höchstgerichts halten würde.

Ein weiteres Kernelement der Justizreform, Änderungen bei der Besetzung von Richterposten, soll nach der Sitzungspause des Parlaments im Oktober auf die Agenda rücken. Netanjahu sagte während der wöchentlichen Kabinettssitzung, man werde versuchen, während der Sommerpause eine Einigung mit der Opposition zu finden.

© dpa-infocom, dpa:230730-99-610528/2