Identität ungeklärt: Hamas will tote Geiseln übergeben haben
27.02.2025
Die islamistische Terrororganisation Hamas hat nach eigenen Angaben die Leichen von vier israelischen Geiseln im Gazastreifen an Vertreter des Roten Kreuzes übergeben. Israelische Regierungsbeamte bestätigten heimischen Medien am späten Abend die Übergabe sterblicher Überreste - allerdings müssten die Toten nach einer ersten Begutachtung am Grenzübergang Kerem Schalom noch im Institut für Forensische Medizin in Tel Aviv zweifelsfrei identifiziert und die Angehörigen informiert werden, hieß es. Obduktionsergebnisse wurden bis zum frühen Morgen nicht bekannt.
Wie von der israelischen Regierung gefordert, wurde die Übergabe diesmal nicht als makaberes Spektakel mit bewaffneten Hamas-Kämpfern und lauter Musik bei der Aushändigung der Särge inszeniert. Laut dem Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu war darüber vorab Einigung mit den Islamisten erzielt worden. Seine Regierung hatte dies zur Voraussetzung für die Freilassung weiterer palästinensischer Häftlinge aus israelischen Gefängnissen gemacht.
Im Gegenzug für die Übergabe der toten Geiseln sollen rund 600 palästinensische Gefangene freigelassen werden. Augenzeugen zufolge fuhr ein erster Bus mit Dutzenden Gefangenen vom Militärgefängnis Ofer im besetzten Westjordanland in Richtung Ramallah, hunderte andere wurden Medienberichten zufolge in den Gazastreifen gebracht. Der arabische Fernsehsender Al-Dschasira zeigte Aufnahmen, wie sie bei der Wiedervereinigung mit ihren Angehörigen jubelnd in Empfang genommen wurden.
Die Häftlinge - darunter 50 mit lebenslangen Haftstrafen - hätten ursprünglich schon am Samstag vergangener Woche im Austausch für sechs israelische Geiseln freikommen sollen. Aus Wut über die entwürdigenden Hamas-Zeremonien bei früheren Übergaben lebender und toter Geiseln schob Israels Regierung dem aber einen Riegel vor und setzte die Haftentlassungen vorerst aus.
Regierung will Identität noch nicht bestätigen
Angesichts der fälschlich vermeldeten Aushändigung toter Geiseln vor einigen Tagen, bei denen es sich - wie erst im Nachhinein festgestellt wurde - um die sterblichen Überreste anderer Menschen handelte, blieb die israelische Regierung diesmal vorsichtig. Sie wollte die Identität erst nach der forensischen Untersuchung der Leichen bestätigen.
Medienberichten und Angehörigen zufolge soll es sich wohl um die Überreste von vier israelischen Männern im Alter zwischen 50 und 86 Jahren handeln. Drei von ihnen waren am 7. Oktober 2023 aus zwei jüdischen Siedlungen nahe der Grenze zum Gazastreifen entführt worden. Der vierte Mann wurde an jenem Tag beim Überfall der Hamas und anderer islamistischer Terroristen auf den Süden Israels getötet, seine Leiche nach Gaza verschleppt.
Die Hamas nutzte die Geisel-Freilassungen bislang stets zur Machtdemonstration und machte das Schicksal der über viele Monate hinweg unter grausamen Bedingungen gefangengehaltenen Menschen zu einem Spektakel für Schaulustige. Oftmals wurden die Entführten auf einer Bühne vorgeführt und erhielten von bewaffneten Islamisten sichtbar Anweisungen, zu lächeln und der wartenden Menschenmenge zuzuwinken. Am vergangenen Wochenende musste ein Israeli zwei vermummte Hamas-Leute auf die Stirn küssen.
Auch das Prozedere bei der Übergabe vier toter Geiseln am vergangenen Donnerstag - darunter zwei Kleinkinder, die auch deutsche Staatsangehörige sind - stieß international auf Empörung. Die Hamas hatte die Särge auf einer Bühne aufgebahrt, während sich zahlreiche jubelnde Schaulustige und Dutzende vermummte Islamisten am Ort der Übergabe versammelten und laute Musik gespielt wurde.
Islamisten haben noch Dutzende Geiseln in ihrer Gewalt
Sollte die Identität der nun ausgehändigten Leichen bestätigt werden, wäre die in der ersten Phase des Waffenruhe-Abkommens zwischen Israel und der Hamas vorgesehene Übergabe von 33 Geiseln aus dem Gazastreifen - darunter acht Tote - abgeschlossen. Im Gegenzug sollten 1.904 palästinensische Häftlinge freikommen. Die erste Phase des Abkommens soll offiziell am Wochenende enden.
Nach Angaben der als Vermittler fungierenden Regierung Katars sieht die Vereinbarung vor, dass die erste Phase fortdauern kann, solange beide Konfliktparteien über die zweite Phase verhandeln. Diese soll zu einem endgültigen Ende des Kriegs sowie zur Freilassung der restlichen Geiseln führen. Die Kämpfe könnten also weiter ausgesetzt bleiben - obwohl beide Kriegsparteien Berichten zufolge bislang, anders als vorgesehen, noch gar keine ernsthaften Verhandlungen über die zweite Phase geführt haben. Ausgegangen wird davon, dass jetzt noch 59 Geiseln im Gazastreifen festgehalten werden, von denen aber nur noch 27 am Leben sein sollen.
Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker am 7. Oktober 2023, bei dem Hamas-Terroristen und andere Islamisten rund 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 weitere aus Israel in den Gazastreifen verschleppt hatten. Seitdem wurden laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde im Gazastreifen mehr als 48.300 Menschen getötet, darunter viele Frauen und Minderjährige. Die Zahlen machen keinen Unterschied zwischen Kämpfern und Zivilisten und lassen sich nicht unabhängig bestätigen, werden von den Vereinten Nationen aber als ziemlich glaubwürdig eingestuft.
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