Falschaussage im Untersuchungsausschuss?
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart will neuen Vorwürfen gegen Innenminister Thomas Strobl im Zusammenhang mit der sogenannten Brief-Affäre auf den Grund gehen. Das teilte sie der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart auf Anfrage mit. Die Opposition verdächtigt Strobl nach dessen Befragung im Untersuchungsausschuss der uneidlichen Falschaussage.
Prüfung soll spätestens nach Abschluss der Beweisaufnahme erfolgen
Bislang sei in dem Zusammenhang zwar kein Ermittlungsverfahren anhängig, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft. "Wir beobachten jedoch die Beweisaufnahme des Untersuchungsausschusses "IdP & Beförderungspraxis" und werden prüfen, ob sich diesbezüglich Anhaltspunkte für eine falsche uneidliche Aussage ergeben." Der Untersuchungsausschuss dreht sich um sexuelle Belästigung in Landesbehörden, um Beförderungspraktiken bei der Polizei und um die Weitergabe eines Anwaltsschreibens durch Strobl. Ein inzwischen suspendierter Inspekteur der Polizei soll vor einem Jahr in Stuttgart eine Polizeibeamtin sexuell belästigt haben. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat kürzlich Anklage gegen ihn wegen sexueller Nötigung erhoben. Strobl hatte ein Schreiben des Anwalts des Inspekteurs an einen Journalisten weitergereicht - und war deshalb ebenfalls unter Druck geraten. Die Ermittlungen gegen den Minister wurden aber vor kurzem gegen Zahlung einer Geldauflage von 15 000 Euro eingestellt.
Widersprüchliche Aussagen
Bei den neuerlichen Vorwürfen geht es um eine mögliche Vereinbarung Strobls mit dem Journalisten, eine Detailfrage: Nach Auffassung der Opposition widersprechen sich die Aussagen der beiden Männer im Untersuchungsausschuss beim Thema Quellenschutz. Der Journalist erzählte demnach, der Minister habe ihn zum Quellenschutz aufgefordert im Zusammenhang mit der Weitergabe des Schreibens. Strobl selbst habe in seiner Befragung im Ausschuss das Gegenteil behauptet, kritisiert die SPD. Das Innenministerium wollte sich zunächst nicht zu den Vorwürfen äußern.
Untersuchungsausschuss tagt am heutigen Montag
Dort sollen unter anderem Strobls Staatssekretär Wilfried Klenk und der ehemalige Staatssekretär Julian Würtenberger in öffentlicher Sitzung befragt werden. Klenk ist seit 2018 Staatssekretär im Innenministerium und kümmert sich schwerpunktmäßig um die Bereiche Polizei, Innere Sicherheit und Bevölkerungsschutz. Würtenberger verabschiedete sich Ende Mai mit 65 Jahren in den Ruhestand. Er arbeitete seit dem Start der grün-schwarzen Koalition 2016 an Strobls Seite. SPD-Obmann Sascha Binder hatte nach der Befragung des Journalisten vor drei Wochen mitgeteilt, dass der Untersuchungsausschuss beantragt habe, die Staatsanwaltschaft zu informieren und mit den Sitzungsprotokollen des Ausschusses zu versorgen. "Dem Verdacht einer möglichen Falschaussage muss im Interesse des Ausschusses umgehend nachgegangen werden können", hatte Binder gesagt.
FDP fordert erneut Rücktritt
Die FDP nutzte den Moment für eine weitere Rücktrittsforderung gegen Strobl. "Wie lange noch will Ministerpräsident Kretschmann dem Straucheln seines skandalumwitterten Innenministers tatenlos zusehen?", fragte Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke am Sonntag. "Erst vor wenigen Wochen wurde Innenminister Strobl eindeutiges Fehlverhalten beim Umgang mit sexueller Belästigung und Machtmissbrauch attestiert." Der Ministerpräsident müsse endlich handeln. Auch wenn kein Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit den neuen Vorwürfen eingeleitet wurde, betonte Rülke: "Mit den erneuten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen seinen Innenminister nimmt das Ansehen des Landes immer mehr Schaden. Was muss Herr Strobl denn noch anrichten, ehe er endlich entlassen wird?"
Bild: Innenministerium Baden-Württemberg