Deutschland und Niederlande vertiefen Militärkooperation
Deutschland und die Niederlande treiben die Verzahnung ihrer Streitkräfte weiter voran. In wenigen Tagen soll eine dritte Brigade der Niederlande dem Deutschen Heer zugeordnet werden, wie kurz vor den deutsch-niederländischen Regierungskonsultationen in Rotterdam bekannt wurde.
Dieser Schritt werde «einen weiteren Meilenstein unserer Zusammenarbeit bilden», hieß es anschließend in einer gemeinsamen Erklärung beider Regierungen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte, diese Integration der beiden Streitkräfte sei «einzigartig in Europa».
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und seine niederländische Amtskollegin Kajsa Ollongren wollen das neue Kapitel der Kooperation am Donnerstag im unterfränkischen Veitshöchheim besiegeln.
Integration bringt gemeinsame Verbände hervor
Die Integration - von der sich beide Seiten größere Schlagkraft und Synergieeffekte versprechen - ist keine Einbahnstraße: Deutschland und die Niederlande vereinbarten 2016 die schrittweise Integration des Seebataillons der Marine in die Königliche Niederländische Marine. Im Seebataillon sind die Marineschutzkräfte, die Minentaucher und Boarding-Soldaten zusammengefasst. Bei der vollständigen Integration entstehen gemeinsame Verbände mit einer etablierten Kommandostruktur, die im Bündnisfall zusammen eingesetzt werden können. Die Technik soll dabei weitgehend vereinheitlicht werden.
«Mit der Unterstellung der niederländischen 13. Leichten Brigade werden alle Brigaden des niederländischen Feldheeres den Divisionen des deutschen Heeres unterstellt sein», teilte die Bundeswehr mit. Bereits im Jahr 2014 war die niederländische 11. Luchtmobielen Brigade (11. Luftbewegliche Brigade) der deutschen Division Schnelle Kräfte (DSK) zugeordnet worden. Die niederländische 43. Mechanisierte Brigade - rund 3000 niederländische Soldatinnen und Soldaten - wurde der 1. Panzerdivision der Bundeswehr zugeordnet.
Bei der niederländischen 13. Leichten Brigade aus Oirschot handelt es sich nach Bundeswehrangaben um eine von drei Kampfbrigaden der niederländischen Streitkräfte. Ihr gehören unter anderem die gepanzerten Infanteriebataillone «Prinzessin-Irene-Füsiliere» und «Limburger Jäger» sowie ein Panzerpionierbataillon an. Die Brigade ist mit Radpanzern vom Typ Boxer sowie dem Aufklärungsfahrzeug Fennek ausgerüstet, wie sie auch in der Bundeswehr verwendet werden. Die 10. Panzerdivision soll künftig im Deutschen Heer den Schwerpunkt bei der Landes- und Bündnisverteidigung bilden und schnell verlegbar, einsatz- und vor allem kaltstartfähig sein.
Weiteres Thema: Verkauf des Tennet-Stromnetzes
Zu den Regierungskonsultationen reiste Scholz mit sechs Ministerinnen und Ministern gleich im Anschluss an die Nachtsitzung des Ampel-Koalitionsausschusses - ohne geschlafen zu haben. Bei den Beratungen ging es auch um ein großes wirtschaftliches Projekt, das für die Energieversorgung in Deutschland wichtig ist: den Verkauf des Stromnetzes des niederländischen Betreibers Tennet in Deutschland an den deutschen Staat. Scholz sprach bei seiner Pressekonferenz mit Rutte von einer «ersten Einigung». Rutte äußerte sich jedoch vergleichsweise distanziert und sprach von laufenden Gesprächen.
Es werde noch untersucht, wie man zu einer Einigung kommen könne, sagte Rutte. Die Synergievorteile müssten erhalten bleiben. Es gehe auch darum, einen «marktgemäßen Preis» zu finden, fügte der rechtsliberale Premier hinzu. Angestrebt wird eine Einigung im Sommer, wie aus der gemeinsamen Erklärung hervorgeht.
Eigentümer der Tennet-Muttergesellschaft ist der niederländische Staat. Die deutsche Tochter ist einer von vier Übertragungsnetzbetreibern in Deutschland. Tennet möchte die deutsche Tochter wegen des hohen Eigenkapitalbedarfs für die Energiewende verkaufen - Tennet sprach hier zuletzt von 15 Milliarden Euro für den Ausbau seines deutschen Netzes.
Scholz sagte, es gehe darum, die guten Synergieeffekte zwischen Deutschland und den Niederlanden, die es durch die Zusammenarbeit mit der deutschen Tennet-Tochter gebe, zu erhalten. Außerdem müsse der Ausbau der Stromnetze beschleunigt werden. Die bereits geplanten Übertragungsnetzkapazitäten müssten schneller fertig werden als bisher gedacht, damit die Bundesrepublik ihr Ziel erreichen könne, bis 2030 mindestens 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs aus erneuerbaren Energien zu decken.
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