Anklage gegen Inspekteur der Polizei des Landes Baden-Württemberg
Erst waren es schwere Vorwürfe gegen den ranghöchsten Polizisten des Landes. Dann wurde daraus auch eine Affäre, die den Posten von Innenminister Thomas Strobl (CDU) bedenklich wackeln ließ und die Opposition alarmierte. Nun hat die Stuttgarter Staatsanwaltschaft im mutmaßlichen Sex-Skandal gegen den obersten Polizisten des Landes das nächste Kapitel aufgeschlagen und Anklage erhoben gegen den Inspekteur der Polizei des Landes Baden-Württemberg. Ihm wird ein Vergehen der sexuellen Nötigung zur Last gelegt, wie die Staatsanwaltschaft am Mittwoch mitteilte. Der Inspekteur bestreitet den Vorwurf.
sexuelle Belästigung einer Polizeibeamtin
Nach den Ermittlungen soll der mittlerweile suspendierte 49-Jährige vor fast einem Jahr in Stuttgart eine Polizeibeamtin sexuell belästigt haben - im Gegenzug zu Karrierevorteilen. Ihm wird vorgeworfen, "hierbei bewusst ausgenutzt zu haben, dass er aufgrund seiner beruflichen Stellung in der Lage war, der Polizeibeamtin im Falle des Widerstands erhebliche berufliche Nachteile zu bereiten", teilte die Staatsanwaltschaft mit. Das Landgericht Stuttgart muss nun entscheiden, ob und wann es ein Hauptverfahren ansetzt.
Belästigung per Videochat
Gegen den Inspekteur wird seit dem 23. November 2021 ermittelt. Der höchstrangige Polizist des Landes ist wegen der Vorwürfe vom Dienst suspendiert. Als oberster Polizist im Land ist ein Inspekteur verantwortlich für die tägliche Arbeit der Polizei. Der Mann soll nach dpa-Informationen eine Hauptkommissarin in einem Videochat mit seinen Vorstellungen sexueller Praktiken belästigt haben.
Polizeiinspekteur strebt Freispruch an
Nach Angaben seines Anwalts strebt der Polizeiinspekteur einen Freispruch vor Gericht an. "Mein Mandant wird sich in der anstehenden Hauptverhandlung nun konsequent im Hinblick auf einen Freispruch verteidigen", ließ der Waiblinger Rechtsanwalt Jens Rabe auf Anfrage mitteilen. Es sei bedauerlich, dass die Staatsanwaltschaft "bei dieser Beweissituation" überhaupt Anklage erhoben habe.
Strobl will im Amt bleiben
Auch Innenminister Thomas Strobl (CDU) steht wegen der Sache seit längerem unter Druck - er hatte nach eigenen Angaben ein Schreiben des Anwalts des Inspekteurs an einen Journalisten weitergereicht. Strobl will aber nach eigener Aussage eine Geldauflage zahlen, um ein Ermittlungsverfahren gegen seine Person zu beenden. Die Opposition fordert seinen Rücktritt. Allerdings hat die grün-schwarze Koalition im Südwesten die Reihen hinter Strobl geschlossen und einen Entlassungsantrag gegen den CDU-Politiker abgelehnt. Zudem beleuchtet ein Untersuchungsausschuss derzeit sexuelle Belästigung bei der Polizei ebenso wie die Beförderungspraxis und die Handlungen Strobls.
Vorwurf der Sozialdemokraten
Die SPD warf dem Innenminister vor, den Inspekteur zu schnell ins Amt befördert zu haben. "Die Turbo-Beförderung bis an die Spitze der Landespolizei erscheint nun noch einmal vor einem ganz anderen Licht", sagte der baden-württembergische SPD-Innenpolitiker Sascha Binder. Respekt zollte er der Frau, die die Vorwürfe gegen ihren Vorgesetzten erhoben hatte. "Ohne ihren Mut wäre das alles nie herausgekommen", sagte Binder.
neue Anlaufstelle
Als Folge der Vorwürfe wegen sexueller Belästigung in der baden-württembergischen Landespolizei war Anfang des Jahres auch eine neue Anlaufstelle für Betroffene eingerichtet worden. Sie soll ein niederschwellig erreichbares Hilfsangebot für alle Beschäftigten der Polizei in Baden-Württemberg bieten, die sich mit sexueller Gewalt oder sexueller Belästigung konfrontiert sehen, hatte die Gewerkschaft der Polizei damals mitgeteilt. Die Anlaufstelle war zusammen mit der Bürgerbeauftragten des Landes ins Leben gerufen worden. Allerdings habe sich bislang niemand an die Anlaufstelle gewandt, sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft der dpa am Mittwoch.